Der Bastard von Tolosa / Roman
zusammen, denn der Name rührte an alte Erinnerungen. »Weißt du, wer der Kirchenfürst war, der deinen Namen trug?«
»Meint Ihr Bischof Aimar de Lo Puei?«
»Du hast von ihm gehört?«
Er nickte. »Der geistliche Führer des Pilgerzugs nach Jerusalem, Legat des Heiligen Stuhls und von Urbanus selbst ernannt.«
»Oho!«, rief ich erstaunt. »Woher weißt du denn das?«
»Unser Prior erzählt mir Dinge aus der Welt. Dabei spricht er gern von den frommen Kriegern, die ins Heilige Land zogen.« Er beugte sich vertraulich vor. »Außerdem haben wir eine Abschrift der
chronica
in der Einsiedelei.«
»Was für eine
chronica?
«
»Die von
Paire
d’Aguiliers. Der war doch dabei.«
»Was? Meinst du den Beichtvater des alten Grafen?«
»Jawohl, Herr. Und ich habe schon mehr als die Hälfte gelesen.
Historia Francorum qui ceperint Jerusalem
«, fügte er stolz und mit ernster Miene hinzu, als müsse allein der lateinische Titel für Geltung und Glaubwürdigkeit der Schrift bürgen.
Aha, dachte ich. So hat er sie doch zu Ende geschrieben, seine Geschichte der Franken, die Jerusalem eroberten. Ich erinnerte mich noch gut an
Paire
d’Aguiliers, jenen hochnäsigen Hofkaplan meines Herrn, des einäugigen Fürsten Raimon Sant Gille von Tolosa. Der weißhaarige, alte Graf hatte den Pfaffen beauftragt, alles niederzuschreiben, was uns auf der Pilgerreise widerfuhr. Oft hatte man ihn bei aufgeschlagener Zeltwand an seinem Reisepult sitzen sehen. Nun ja. Um ehrlich zu sein, ich hatte diesen frommen Wichtigtuer nie gemocht. Für meinen Geschmack redete er zu viel von Wundern und Erscheinungen. Man mochte glauben, allein der Heilige Andreas habe Jerusalem erobert und nicht die vielen mutigen Männer, die ihr Leben vor den Mauern gelassen hatten.
»Ich wusste nicht, dass sich jemand für solches Gekritzel erwärmen könnte. Was weiß ein Pfaffe schon vom Kriegshandwerk?«
»Doch, Herr. Viele lesen diese
chronica,
und es werden häufig Abschriften verlangt, wie unser Prior sagt. Ich selbst habe zur Übung damit begonnen. Es ist eine wundersame Geschichte, Herr.« Sein Gesicht war vor Eifer gerötet. »Unsere Christenkrieger haben viel erlitten und dennoch mit Gottes Hilfe wahre Wunder vollbracht.«
»Ist das wahr?«, fragte ich scheinheilig.
»In Nicaea haben sie ein ganzes Türkenheer vernichtet und in Antiochia … die Heilige Lanze, Herr, die hat alles zum Guten gewendet und …«
»Genug jetzt!«, unterbrach ich ihn barsch. »Wir sind nicht hier, um uns mit dummem Geschwätz aufzuhalten! Du hast einen Auftrag, oder?«
Aimars Mund klappte zu. Er hielt den Blick zu Boden gesenkt und die Hände hinter dem Rücken verschränkt, so als stähle er sich gegen weitere Schelte. Fast tat mir meine Grobheit leid.
»Hast du alles Nötige mitgebracht?«, fragte ich in sanfterem Tonfall.
Er nickte eilfertig. Ich wies auf den klobigen Holztisch hinter ihm, und dort legte er sorgfältig die Gegenstände aus, die er aus seinem Beutel zog. Die Geräte seines Schreiberhandwerks, durch häufigen Gebrauch abgenutzt, schien er mit Vertrautheit zu handhaben. Ein Holzschälchen zum Anrühren der Tinte, das Federmesser, eine Dose mit feinem Streusand, ein Knäuel Schafswolle zum Reinigen der Gänsekiele, einen flachen Bimsstein zum Glätten des Pergaments.
Ich musterte ihn streng und sagte: »Also schön. Lassen wir es auf einen Versuch mit dir ankommen.«
Er nickte demütig und zog einen Schemel heran, um sich vor dem Tisch niederzulassen. Ich bemerkte, wie dünn der Junge war. Und da fiel mir die karge Kost ein, die jene armen Teufel in der Einsiedelei bekamen.
»Bist du nicht hungrig nach deiner Wanderung?«
»O ja, Herr.« Man konnte fast sehen, wie ihm bei meinen Worten das Wasser im Mund zusammenlief.
»Es ist schon spät, und du hast einen langen Weg hinter dir. Lassen wir es also für heute gut sein. Geh runter zur Köchin und bitte sie, dir einen Teller Suppe zu geben und ein Stück Käse dazu. Über dem Pferdestall ist eine leere Kammer. Du darfst dir frisches Stroh für dein Bett nehmen. Dein Schreibgerät lass hier, und morgen früh, nach dem Morgenmahl, beginnen wir mit der Arbeit.«
Aimar ließ sich dies nicht zweimal sagen. Mit scheuem Lächeln murmelte er »habt Dank, Herr!« und war im Nu die enge Stiege hinunter verschwunden.
»Und nimm ein Bad!«, schrie ich hinterher. »Du stinkst erbärmlich!«
»Ja, Herr!«, hallte es durch den Treppengang.
Morgen würde er nicht mehr derselbe sein, dachte ich belustigt. Die
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