Der Baum des Lebens
der Bauer jetzt wissen.
»Ich bin ein Schreiberlehrling aus General Sepis Klasse.«
Der Bauer schlug einen anderen Ton an. »Also gut, vielleicht werden wir ja einig. Dieser Esel gehört eigentlich mir. Ich gebe ihn dir aber, wenn du mich nicht verklagst.«
»Da verlangst du aber viel von mir.«
»Hör zu, ich habe gedacht, ich mache etwas Gutes, und jedes Gericht würde mich bestimmt freisprechen! Woher hätte ich denn wissen sollen, dass Thot eingreift?«
»Also gut, abgemacht.«
Der Bauer war froh, dass die Sache so glimpflich ausgegangen war, und machte sich schleunigst davon. Kaum war er nicht mehr zu sehen, wurde das Eselchen wieder ruhig.
In diesem Augenblick kam eine leichte, frische Brise aus dem Norden, und das Grautier schnupperte aufmerksam. Endlich sah es sich neugierig um. Mit einem grenzenlos liebevollen Blick für seinen Retter erwachte es zu neuem Leben.
»Jetzt weiß ich auch, welchen Namen du bekommst«, meinte Iker. »Du heißt ab sofort Nordwind.«
35
Zwei Tagesmärsche nordöstlich der Stadt Imet im Nildelta versteckt, ernährten sich Schiefmaul und seine Leute von der Jagd und vom Fischfang. Sie lebten in Saus und Braus, weshalb Schiefmaul sie nur noch härter anpackte. In dieser Umgebung konnte man ausgezeichnet einen Hinterhalt nachstellen oder andere Geschicke im Kampf üben. Zwei Männer hatten dabei schon ihr Leben verloren, aber das war nicht zu ändern. Immerhin schien damit der Beweis erbracht, dass die Arbeit Früchte trug und die Einheiten bald einsatzbereit waren.
Anführer der schönsten Räuberbande zu werden, die Ägypten je gesehen hatte – das war Schiefmauls erklärtes Ziel. Er wollte seine Feinde dermaßen peinigen, dass sie seinen Namen schließlich nur noch voller Angst nennen würden.
»Der Späher meldet Eindringlinge, Herr.«
»Nicht möglich… Das ist ja wunderbar, da werden wir unseren Spaß haben! Alle Mann auf ihre Plätze! Wie viele Vorwitzige sind es denn?«
»Vier Männer.«
»Das ist zu einfach! Es reicht, wenn sich zwei von euch um sie kümmern.«
Für Shab den Krummen wurde es ein echter Glückstag, weil ihn Schiefmaul erst im allerletzten Augenblick, als er gerade mit seinem Dolch zustechen wollte, erkannte.
Mit seinem Gehilfen kam er wie ein Raubtier aus dem Gebüsch gesprungen.
»Na, mein Freund! Hattest du eine gute Reise?«
»Du hast mir Angst eingejagt, du Trottel!«
»Aber sag… wo ist denn unser Herr?«
»Ein Trupp Ordnungshüter hat ihn verhaftet und wahrscheinlich mit nach Sichern genommen.«
»Warum habt ihr sie nicht überwältigt?«
»Es waren zu viele. Außerdem hat uns der Prophet ein Zeichen gegeben, dass wir fliehen sollen.«
»Für so einen wie ihn ist das aber ein trauriges Ende«, sagte Schiefmaul bedauernd.
»Was redest du denn da? Wir gehen natürlich nach Sichern und befreien ihn!«
»Ich glaube, du träumst! Glaubst du etwa, die Ägypter machen noch einmal den gleichen Fehler und lassen die Stadt unbewacht? Da ist jetzt bestimmt eine ganze Einheit untergebracht, und der sind wir nicht gewachsen.«
»Hast du deine Leute etwa nicht gut ausgebildet?«
»Doch, aber für einzelne Überfälle, nicht für einen großen Angriff.«
»Wir wollen ja auch nicht die Kaserne, sondern nur das Gefängnis angreifen.«
»Erstens wird es sicher streng bewacht, außerdem steht es in den Sternen, ob wir den Propheten dabei überhaupt befreien können; wahrscheinlich würden wir zu spät kommen.«
»Warum denn?«
»Weil er vermutlich bereits hingerichtet wurde. Meinst du, der Pharao geht behutsam mit Leuten um, die Aufstände gegen ihn anzetteln?«
Shab verzog das Gesicht.
»Dein Prophet ist längst tot. Wenn wir jetzt nach Sichern gehen, kommt das einem Selbstmord gleich.«
»Was schlägst du dann vor?«
»Wir müssen das Schicksal nehmen, wie es ist, und uns um unsere eigene Zukunft kümmern. Mit der Mannschaft hier sind wir jedenfalls besser dran als die Sandläufer.«
»Das schon, aber was ist mit dem Propheten…«
»Vergiss ihn! Der schmort schon längst in der Unterwelt.«
»Und wenn man ihm eine Möglichkeit eingeräumt hat?«
»Was für eine Möglichkeit denn?«
»Na, zu fliehen. Du weißt sehr wohl, dass er ein außergewöhnlicher Mann ist. Vielleicht war er mächtig genug, seinen Feinden zu entkommen.«
»Verhaften lassen hat er sich jedenfalls!«
»Und wenn er es so gewollt hat?«
»Weshalb hätte er das tun sollen?«
»Zum Beispiel, um uns zu beweisen, dass ihn niemand
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