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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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roher hätte sein können.
    »Der hat bestimmt eine Ausbildung als Soldat hinter sich!«, meinte ein schmächtiger Junge. »Wenn er will, kann er uns alle Knochen brechen. Lassen wir ihn lieber in Ruhe, ehe er noch richtig wütend wird.«
    Nicht einmal der kleine Braunhaarige widersprach.
    Als sich der klägliche Haufen nun davonmachte, dankte Iker seinem Glück. Wären sie auf den Gedanken gekommen, ihn gemeinsam anzugreifen, hätten sie ihn mit Sicherheit besiegt. Außerdem war er dem Fürsten Chnum-Hotep dankbar, der ihn gezwungen hatte, ein tüchtiger Krieger zu werden.
    Auf dem Weg zum Speiseraum bemerkte der Lehrling einen Ibis, der so majestätisch über ihm dahinflog, dass er stehen blieb, um ihm nachzusehen.
    Thots Vogel zog große Kreise über Iker, als wollte er ihm zeigen, dass er ihm etwas zu sagen hatte. Dann flog er Richtung Nil, kam zu dem jungen Mann zurück, um wieder zum Fluss zu fliegen.
    Iker folgte ihm. Dank seiner Übung im Langstreckenlauf konnte Iker den Weg zum Nil sehr schnell zurücklegen. Der Vogel wartete über einem Papyruswäldchen auf ihn. Er setzte sich eine Weile in einen Baumwipfel und pickte mit seinem spitzen Schnabel an den Fruchtdolden, dann verschwand er im Blau des Himmels.
    Der Botschafter vom Gott der Schreiber hatte ihn bestimmt zu dieser verlassenen Stelle gelockt, weil er dort etwas entdecken sollte.
    Sich in dieses Pflanzendickicht zu wagen, war nicht ungefährlich. Hier versteckten sich womöglich Krokodile oder Schlangen. Deshalb stampfte Iker fest mit dem Fuß auf, ehe er die Äste auseinander bog und sich in das Papyrusdickicht begab.
    Ein Wimmern ließ ihn vor Schreck erstarren.
    In dem Dickicht musste ein kleines Kind versteckt sein! Iker dachte nicht mehr an die möglichen Gefahren, arbeitete sich so schnell es ging vorwärts und stolperte beinahe über… ein Eselchen! Ein kleines Grautier mit einem verletzten Bein, das nur noch auf den Tod wartete.
    Ganz langsam und vorsichtig, um das Tier nicht zu verängstigen, befreite es Iker aus der Falle, in der es sich verfangen hatte. Das arme Wesen bestand nur noch aus Haut und Knochen, und man konnte jede einzelne seiner Rippen sehen.
    »Ich nehme dich auf den Arm, bringe dich hier weg und pflege dich gesund«, erklärte ihm Iker.
    An seinen angsterfüllten großen braunen Augen konnte man sehen, dass der kleine Esel offensichtlich keine gute Erinnerung an seine ersten Erfahrungen mit der menschlichen Art hatte.
    Um ihn erst einmal zu beruhigen, setzte sich Iker neben ihn und versuchte, ihn vorsichtig zu streicheln. Das verletzte Tier zitterte vor Angst, gleich wieder geschlagen zu werden. Das Gefühl einer behutsamen, zärtlichen Hand überraschte und besänftigte es. Ganz allmählich gelang es dem Schreiber, sein Vertrauen zu gewinnen.
    »Du musst hier weg und etwas zu fressen bekommen.«
    Der kleine Esel war nicht besonders schwer. Iker hatte mit Widerstand gerechnet, als er ihn hochhob, aber sein Schützling ließ es mit sich geschehen, weil er sich endlich in Sicherheit fühlte.
    Als sein Retter aber den Weg zu den Feldern einschlug, fing er ganz plötzlich an, um sich zu schlagen und zu wimmern. Der Grund für seine Angst war nicht schwer zu erraten: Ein mit einer Mistgabel bewaffneter Bauer kam ihnen mit großen Schritten entgegen.
    »Wirf dieses Ungeheuer sofort in den Sumpf«, befahl er barsch. »Die Krokodile sollen es fressen!«
    »Wo siehst du denn ein Ungeheuer? Hier ist nur ein kleiner verletzter und hungriger Esel.«
    »Du hast ihn dir wohl nicht richtig angeschaut!«
    »Ich glaube schon, und ich musste dabei feststellen, dass man ihn gequält hat. Wenn du das warst, wirst du dafür bestraft werden.«
    »Wer sollte mich dafür bestrafen, dass ich ein besessenes Wesen beseitigt habe? Dafür wird man mich schon eher beglückwünschen.«
    »Warum machst du ihm solche Vorwürfe?«
    »Das werde ich dir zeigen.«
    »Nein, du kommst uns nicht näher.«
    »Dann schau dir seinen Nacken an! Siehst du das Zeichen?«
    Iker sah nur ein paar rote Haare im Fell.
    »Dieses Tier ist mit Seth im Bunde, es bringt Unglück!«
    »Thots Ibis hat mich zu dieser Stelle geführt, wo du das Eselchen erst geschlagen und dann ausgesetzt hast. Glaubst du vielleicht, der Gott der Schreiber könnte nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden?«
    »Aber da ist dieser Fleck… Rothaarige sind immer mit Seth im Bunde!«
    »Vielleicht besitzt er seine Macht, aber er wurde von Thots Ibis gereinigt.«
    »Wer bist du eigentlich?«, wollte

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