Der Beethoven-Fluch
Filmszene nacherzählen oder ein Kapitel aus einem Roman.
“Ob es die wohl noch gibt?”, fragte Sebastian neugierig. “Eine Geheimtreppe? Davon höre ich zum ersten Mal. Aber ich bin ja auch noch nicht lange Mitglied. Wo genau soll sie denn sein?”
Meer schloss die Augen und konzentrierte sich. “Der Zugang befindet sich in einem Wandschrank. Ich glaube, der Raum war eine Bibliothek.”
“Und über diese Treppe gelangt man in ein Kellergewölbe?”
Sie nickte. “In eine Kammer mit Steinwänden und einer eisernen Gittertür.”
“Klingt ja wie im Mittelalter”, kommentierte Sebastian.
“Wissen Sie noch, ob da unten sonst noch etwas war?”, forschte Malachai nach.
“Nein. Sobald Margaux festgestellt hat, dass die Flöte nicht da war, hat sie nicht weiter auf die Kammer geachtet.”
“Mich würde interessieren, Meer, was Ihnen im Auktionshaus aufgefallen ist”, fuhr Malachai fort, “als Sie sich das Spielekästchen ansahen. Sie sagten, die Herz Neun wäre zwei Mal da gewesen. Erinnern Sie sich noch, wie Sie diese Unregelmäßigkeit bemerkt haben? Haben Sie etwas Bestimmtes gesucht?”
Meer beantwortete zuerst den letzten Teil der Frage. “Muss ich wohl, aber ich entsinne mich nur noch an eine Reaktion: Die war, als Dad mir von der Herzgruft erzählte. Und im Dorotheum, da war ich vom Anblick der Schatulle dermaßen hingerissen …”
“Das kann ich mir vorstellen”, unterstrich Malachai mit einem leicht neidischen Unterton. “Aber selbst, wenn Sie es nicht mehr genau wissen – es hat Sie doch mit Sicherheit aus einem bestimmten Grund zu den Karten gezogen! Denn als kleines Mädchen waren Sie auch immer ganz fasziniert von den Kartenspielen in meiner Praxis gewesen …” Er unterbrach sich, als würde er an diese Zeit zurückdenken. “Und die anderen Dinge in dem Kästchen?”, fuhr er dann fort. “Fanden Sie die auch so spannend? Als Sie die sahen, haben Sie da auch diesen Drang verspürt? Haben Sie sich die übrigen Spielsteine mal genauer angesehen?”
“Ich erinnere mich nicht.”
“Keinerlei Anhaltspunkte, dass sich weitere Hinweise in der Schachtel befinden könnten?”
Meer verneinte. “Keine Ahnung. Aber selbst wenn ich es wüsste – die Spieleschatulle ist weg!”
“Allerdings”, konstatierte Malachai. “Dann nehmen wir uns doch mal Jeremys Kopie von dem Beethoven-Brief vor. Darin soll ja ein metaphorischer Hinweis sein. Sebastian, könnten Sie die Stelle mal suchen und uns übersetzen … oder besser gleich den ganzen Brief. Vielleicht stoßen wir ja auf etwas, das uns vorher nicht aufgefallen ist, das uns aber jetzt logisch erscheint.”
Sebastian holte das Schreiben und betrachtete es eine geraume Weile. Obgleich es sich bloß um eine Kopie handelte, schien es ihn tief zu bewegen, die Handschrift des großen Komponisten zu sehen. Erst nach einigen Sekunden fing er an, den beiden den Brief vorzulesen, wobei er ihn dem Sinn nach in eine einigermaßen verständliche englische Fassung bringen musste, da seine beiden Zuhörer des Deutschen ja nicht mächtig waren.
Während Sebastian nun mit seiner Übersetzung begann, fasste Malachai in seine Jackentasche und holte ein sichtlich abgegriffenes Kartenspiel heraus. Für Meer war das nicht erstaunlich; sie kannte seine Angewohnheit, die Karten durchzumischen, wenn er tief in Gedanken versunken war. Das sachte Klatschen der Blätter wirkte nicht etwa störend, sondern wie eine musikalische Untermalung von Sebastians Vortrag.
Sebastian las also vor, wie Beethoven sich an seine geliebte Antonie wandte und ihr von dem geheimnisvollen Brief schrieb, den sie womöglich nie finden würde. Nachdem es ihm gelungen sei, die Tonfolge herauszufinden, sei ihm sogleich bewusst geworden, welch ungeheure Gefahr von diesem Instrument und seiner Melodie ausgehe.
“Die Flöte”
, zitierte Sebastian weiter,
“ist zu wertvoll, um sie für immer zu zerstören – und zugleich zu gefährlich, um sie jenen zu überlassen, die dem schnöden Mammon verfallen könnten. Gleichzeitig aber ist sie für die Menschheit so kostbar, dass man sie nicht zerstören darf. Aus diesem Grunde habe ich den Entschluss gefasst, sie sicher zu verbergen, zu unser aller und unserer Kindeskinder Schutz. Euch aber weihe ich in mein Geheimnis ein, auf dass es nicht für immer verloren gehe.”
Er räusperte sich, bevor er fortfuhr.
“Die Spieleschatulle enthält den Kern des Rätsels. Den Schlüssel zu diesem Rätsel zu finden, das, Rudolf, ist Deine Aufgabe. Ist
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