Der Befreier der Halblinge: Roman (German Edition)
passierte die Meerenge zwischen Alfalas und der Insel Faernyst und segelte dann weiter, bis am Horizont die Gebäude der Blauen Stadt auftauchten. » Es ist eine der ältesten Städte der Elbenheit « , sagte Prinz Eandorn an Arvan gewandt. » Zur Zeit von König Elbanador war sie lange die Hauptstadt. «
» Ich hoffe nicht, dass wir dort einen Halt einlegen « , meinte Arvan. Der seemännisch interessierte Kronprinz hatte ihm auf einer elbischen Karte erläutert, welchen Kurs die Flotte ungefähr nehmen würde. Arvan hatte weder von der Dauer der Fahrt noch von den besonderen Gegebenheiten eine klare Vorstellung. Er erinnerte sich zwar an die Karten, die der alte Grebu ihm einst während des Unterrichts gezeigt hatte, aber gerade die Gebiete weit im Norden waren darauf nur sehr vage dargestellt worden. Immerhin war Arvan klar, dass die Flotte der Elben sich irgendwie von der Küste Thuvasiens und Trollheims fernhalten musste, um dann möglichst unentdeckt an den Anfurten der Flachen Mark von Bagorien zu landen. Von dort aus würden sie südwärts zum Berg Tablanor ziehen, ein Weg, für den man ausreichend Pferde mitgenommen hatte.
Allerdings konnte niemand sagen, ob und wo die Elben noch aufgehalten würden. Wenn die thuvasischen Magier die Flotte entdeckten, musste man damit rechnen, dass sie versuchten, die Elementargeister gegen die Elbenflotte aufzuwiegeln. Stürme, schlechtes Wetter, ungünstige Strömungen, treibende Eisberge aus dem Norden– all das konnte ihnen begegnen. Die Vorbeifahrt an der Trollküste schätzte Eandorn hingegen als vergleichsweise harmlos ein. Was sie allerdings in Bagorien vorfinden würden, konnte derzeit niemand vorhersagen. Möglicherweise hatten Ghools Schergen bereits das ganze Land erobert und fest in ihrem Griff. Nachdem König Orfon fernab seiner Heimat im Kampf gegen Orks und Dämonenkrieger gefallen war, herrschte dort womöglich pures Chaos.
» Ich kann dich beruhigen, Arvan « , lächelte Prinz Eandorn. » Wir werden im Hafen der Blauen Stadt nicht anlegen. Aber es bringt jeder Elbenflotte Glück, sie gesehen zu haben, bevor man zu einer weiten, gefährlichen Reise aufbricht. «
» Na, dann hoffe ich, dass das auch stimmt « , gab Arvan zurück.
Die Flotte der Elben setzte in den nächsten Tagen ihren Weg entlang der Küste fort. Nachdem die Blaue Stadt außer Sicht geraten war, passierte man eine Halbinsel, deren Landschaft sich völlig von Alfalas unterschied. Die Küste war felsig, und immer wieder sah Arvan Objekte emporragen, von denen nicht auf den ersten Blick klar war, ob es sich um natürliche Gesteinsformationen oder um künstlich geschaffene Bauwerke handelte.
Eandorn nannte diesen Teil des Elbenreichs die Windlande.
Der Wind wurde in den Gewässern, die die Windlande umgaben, tatsächlich stärker, und die Geschwindigkeit der Elbenschiffe schien nach Arvans Eindruck zuzunehmen. Das hielt er für ein gutes Zeichen.
Eines Nachts schreckte Arvan aus dem Schlaf auf. Laute Geräusche hatten ihn geweckt. Es klang wie ein Chor von geisterhaften Stimmen. Er sah sich an Deck um. Ein klarer Sternenhimmel wölbte sich über ihnen, und der Mond bildete eine schmale, aber sehr hell leuchtende Sichel, deren Licht sich in der ruhigen See spiegelte. Die Elben an Bord lauschten aufmerksam den Gesängen.
» Was ist das? « , wandte er sich an einen der Elben, die in der Nähe standen.
» Nichts für dich, Menschling « , sagte dieser. Erst als sich der Elb umdrehte und Mondlicht auf sein Gesicht fiel, bemerkte Arvan, wen er vor sich hatte.
Prinz Sandrilas, der einäugige Menschenhasser.
» Es war nur eine Frage « , sagte Arvan.
» Es ist die Stadt der Winde. Ihre Gebäude sind so erbaut worden, dass sie die Kraft des Windes zur Erzeugung einer sich ständig verändernden Musik nutzen. Aber um die Harmonie erfassen zu können, sollte man Ohren haben, die diese Bezeichnung auch verdienen, Menschling. «
» Es klingt gut, finde ich. «
Prinz Sandrilas verzog verächtlich das Gesicht. » Deine Worte hören sich für mich an, als ob ein Blinder die Schönheit eines Gemäldes preist. «
» Und was ist mit dem Einäugigen, dem es einfach nicht gelingt, mehr als nur eine Seite zu sehen? «
Arvan hätte diese Worte gerne wieder rückgängig gemacht. Aber sie waren nun einmal ausgesprochen. Sandrilas’ Hochmut ihm gegenüber war einfach zu schwer zu ertragen gewesen, sodass er sich nicht hatte beherrschen können.
» Es scheint, dass du nicht ganz so geistlos bist, wie
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