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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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rief es unter den Zuhörern.
    »Nein, das will ich nicht. Aber ich habe mein liebes Berlinchen und Weib und Kindchens verlassen und bin nach Angermünde gekommen, weil hier kein Mann war, der ein ordentliches Gewandchen fertig bringen konnte. Und nun ich Euch herausstaffiret habe mit allem Fleiß und manchen Stich gethan, damit Ihr Euch in Ehren und mit Vergnügen sehen lassen könnt unter den Leutchen, nun kann ich nicht bekommen, was mir für meine Arbeit gebührt, und die Herrchen vom Rathe wollen mir meine Sachen nehmen, weil ich Zinsen und Gebühr für das Quartalchen nicht zusammengebracht habe. Nun wird man mich mit Schimpf und Schande wieder nach Berlin gehen heißen, wohin ich als ein Bettler komme, während meine Schuldner sich hier in das Fäustchen lachen. Darum wollte ich – – –«
    »Ist Er noch nicht bald fertig?« unterbrach ihn der Beamte. »Mit Seiner Predigt ändert er nichts und bringt sich nur in die Gefahr, in das Loch gesponnen zu werden. Steigt vom Stuhle! Wir können nicht länger warten und müssen unseres löblichen Amtes pflegen!«
    »Gebt mir nur noch ein einziges Augenblickchen Zeit! Ich bin ja noch gar nicht mit der Vorrede zu Ende und die Leutchen müssen doch wissen, was ich ihnen sagen will!«
    »Sage Er es ihnen später. Vorwärts, springe Er vom Stuhle, sonst muß ich mir mein Recht verschaffen!«
    Der Schneider mußte dieser im strengsten Ton ausgesprochenen Aufforderung Folge leisten und überblickte mit betrübtem Angesichte die Sachen, welche man ihm jetzt nehmen wollte. Die Auction begann und der Büttel griff zuerst nach einer Truhe, die ihrer Alterthümlichkeit nach ein altes Erbstück zu sein schien. Zademack hielt ihn zurück.
    »Laßt diese Truhe bis zuletzt,« bat er; »sie stammt von meinen Voreltern und ist mir lieb und werth.«
    »Lasse Er uns in Ruhe mit seinem alten Kasten! Seine Voreltern werden nicht darinnen stecken!«
    Da trat Detlev hinzu. Er fühlte Mitleid mit dem armen Manne und außerdem war ihm ein Gedanke gekommen.
    »Welches ist die Summe, wegen der Ihr hier gepfändet habt?« frug er den Beamten.
    »Es sind fast fünfzig Prager Groschen,« erwiderte der Gefragte, ihn mit einem neugierigen Blicke messend.
    Detlev zog das Lederbeutelchen unter seinem Gürtel hervor und öffnete es.
    »Hier nehmt das Geld und laßt ihm seine Sachen!«
    »Ihr wollt die Schuld bezahlen?«
    »Wie Ihr gehört habt.«
    »So ist das noch nicht genug. Der hohe Rath muß die Kosten seines Pfandverfahrens vergütet haben, wenn er auf dasselbe weiter verzichten soll.«
    »So nennt mir diese Kosten.«
    Der Beamte gab die Summe an und Detlev bezahlte sie. Der Schneider war hoch erfreut, solchen Wohlthäter gefunden zu haben und brach in die beredtesten Dankesworte aus.
    »Wie kann ich Euch diese Eure Güte jemals vergelten, Herr?« rief er. »Ihr erlöset mich aus bitterer Noth und Sorge, denn wenn man mir mein Habchen genommen hätte, so würden wir Nichts gehabt haben, um unser Haupt darauf zu legen. Nun?« fuhr er, zu dem Beamten gewendet, fort, »macht Euch von dannen! Ihr seid bezahlt und habt hier nichts mehr zu suchen. Oder wollt Ihr etwa warten, bis ich Euch hier auf dem Stühlchen ein Redchen halten werde? – Nein, Herr Junker, schickt Euch nicht jetzt schon zum Gehen an, sondern wollet die Gnade haben, in meine arme Wohnung einzutreten, damit mein Weib sammt den Kinderchen Euch auch danken können!«
    Detlev zögerte, auf diese Bitte einzugehen, aber Zademack ließ nicht ab, bis er ihm in das Haus folgte. Es war ein enges, dunkles Gebäude, von dessen Flur eine Stiege nach oben führte. Dort angekommen, bemerkte er, daß es sich an die Stadtmauer lehnte, über welche sein hinterer Giebel um ein Beträchtliches emporragte.
    In dem Stübchen, dessen Thüre der Schneider öffnete, saß eine weinende Frau in der Mitte mehrerer Kinder, die sich zärtlich an die betrübte Mutter schmiegten.
    »Weine nicht,« tröstete Zademack; »sie werden uns nichts nehmen, gar nichts, denn dieser Junker hier hat Alles bezahlt, was wir schuldig waren.«
    Sie erhob sich und trocknete sich die feuchten Augen.
    »Ist es wahr, was Du hier sagst? Unsere Schulden sind bezahlt und wir werden unsere Sachen behalten?«
    »Alles, alles werden wir behalten und nichts, gar nichts können sie uns nehmen! Und das haben wir diesem gütigen Herrn zu verdanken. Kommt, Kinderchens, gebt ihm Eure Händchen!«
    Es begann jetzt zwischen den Gliedern der armen Familie ein Wettspiel des Dankes, dem sich der

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