Der beiden Quitzows letzte Fahrten
Mädchen vielleicht gar zu verdächtigen!«
»Eine Herzensangelegenheit also ist es, die Euch so ernst, so trübe stimmt?«
»So ist es! Erinnert Ihr Euch vielleicht dessen, was ich Euch über das Mädchen mittheilte, welches ich vor längerer Zeit aus der Gewalt der Boldewin’s und aus den Händen des Pfaffen zu befreien vermochte?«
»Gewiß! Ihr sprächet aber davon, daß sie eine Jüdin sei!«
»Richtig. Dieses reizende Kind konnte ich nicht vergessen. Ich habe in der Zeit zwischen dem Kampfe bei Angermünde und der Berennung von Garlosen Zeit und Gelegenheit gefunden, mich nach ihr zu erkundigen!«
»Nun? Was weiter?« fragte Dietz besorgt, als Detlev einen Moment inne hielt.
»Das unglückliche Mädchen sollte einen Mann heirathen, den sie nicht nehmen wollte. Sie hat geweint, gefleht, hat ihrer Mutter, welche mir dies Alles mitgetheilt, entdeckt, daß sie mich allein liebe, und da sie mich nicht erhalten könne, gar nicht heirathen wolle, und hat, als der Vater weder auf Mutter noch Tochter gehört, sondern hart verlangt hat, das Mädchen müsse seinem Willen gehorchen, im Wasser – Ruhe gesucht und gefunden. Wenige Stunden vor meiner Ankunft bei ihren Eltern war ihre Leiche aufgefunden worden!«
»Armes Wesen!« murmelte Dietz tief ergriffen.
Detlev aber erhob sich, um durch Bewegung die vollständig verlorene Fassung wieder zu gewinnen.
Dietz mußte erkennen, daß der Freund dem unglücklichen Mädchen herzlich zugethan gewesen, und suchte vergeblich nach Worten des Trostes. Längere Zeit verging deshalb in dumpfem Schweigen, und er athmete erleichtert auf, als Marie in das Gemach trat.
Noch hatte er indeß nicht vermocht, ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen, als Suteminn mit dem Grafen zurückkehrte, in dessen Begleitung sich der längst erwartete Graf Lindow und dessen Sohn Chlodwig befanden.
Marie bemerkte diese gleichzeitig und zog sich, während eine glühende Röthe ihr Gesicht überflog, rasch zurück, Detlev aber ging den Ankommenden ein paar Schritte entgegen.
Nach den ersten Begrüßungen zwischen Dietz und dem Grafen Lindow, welche auf dem Schlachtfelde bekannt geworden waren, und Detlev, welcher während der Reise der Herren nach Kostnitz mit Chlodwig Freundschaft geschlossen hatte, erklärte Graf Warwick:
»Mein längeres Verweilen in Deutschland ist, nachdem ich das, was ich erstrebte, auch erreicht habe, zwecklos. Ich werde deshalb morgen mich vom Kurfürsten verabschieden und übermorgen früh wollen wir von hier abreisen. Der Herr Graf von Lindow wird uns bis Hamburg begleiten, unser Freund Suteminn aber hat mir endlich das Versprechen gegeben, mit uns nach England zu fahren!«
Detlev gab seine Freude hierüber laut zu erkennen. War es ja doch stets sein Wunsch gewesen, den Mann, der während seiner Trennung von den Eltern Vaterstelle bei ihm vertreten, auch ferner in der Nähe zu haben, und er sah erstaunt, befremdet auf, als Suteminn zerstreut antwortete und sein Augenmerk auf etwas gerichtet hielt, was hinter ihm vorging. Neugierig wandte er sich nach derselben Richtung: seine Mutter und seine Schwester waren auf Wunsch des Grafen eben eingetreten und wurden vom Grafen von Lindow und dessen Sohne begrüßt. Marie, das sonst Jedem offen in das Auge sehende, unschuldige, liebe Mädchen, stand, den Blick schüchtern zu Boden gesenkt, vor dem Grafen, während sie hocherglühend das Köpfchen leicht neigte, als vermöge sie in dieser Weise zu verbergen, was sie nicht merken lassen wollte.
Vergebliches Mühen! Weder die Mutter noch die Herren waren im Zweifel über das Gefühl, welches Marie erfüllte, und wären sie es doch noch gewesen, dann hätte ein Blick in das freudestrahlend auf dem reizenden Mädchen haftende Auge des jungen Grafen ihnen die Ueberzeugung verschaffen müssen, daß Chlodwig und Marie einander liebten.
Hindernisse schienen der Liebe des jungen Paares nicht zu erwachsen, denn die Eltern waren durch diese Wahrnehmung keineswegs unangenehm überrascht, und nur eine Person unter den Anwesenden wandte sich auffallend bleichen Angesichts ab und verließ nach einer herzlichen Verabschiedung von dem Grafen und dessen Familie, vorzüglich aber von Detlev und endlich auch von Suteminn das Haus: Dietz von Quitzow.
»Ich Thor,« murmelte er, als er in geringer Entfernung vom Hause noch einmal einen Blick auf dasselbe zurückwarf, »weshalb habe ich mich einer Hoffnung hingegeben, an deren Erfüllung ich nach dem Vorgefallenen vernünftiger Weise gar nicht hätte
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