Der beiden Quitzows letzte Fahrten
durfte; noch wußte er nicht, ob ein Ort zu finden sei, wo er sein Haupt hinlegen könne, um in Sicherheit zu schlafen, und die Freunde, die ihm während der Zeit seiner Macht zur Seite gestanden, würden sie ihm treu bleiben und die Opfer bringen, die er von ihnen begehren mußte, wenn er das launige Glück zwingen wollte, ihm wieder freundlich zuzulächeln? Waren nicht die meisten von ihnen von dem Arme des furchtbaren Markgrafen niedergeschmettert worden? Und die Andern? Selbst wenn sie zu ihm hielten, auch jetzt noch, wo er heimathslos in der Fremde herumirrte, war er an ihrer Spitze mächtig und stark genug, den Riesenkampf von Neuem aufzunehmen? War es ihm nicht grad’ heut zum ersten Male in seinem ganzen Leben geschehen, daß er vor einem einzelnen Menschen feig die Flucht ergriffen hatte, und konnte darin nicht eine böse Vorbedeutung für die Zukunft liegen? Er knirschte mit den Zähnen und stemmte die geballten Fäuste gegen die Fensterbrüstung, daß die starken Bretter, mit denen sie bekleidet war, in ihren Fugen krachten. Nein, und tausendmal nein! Kämpfen wollte er und kämpfen mußte er, wie seine ganze thatenreiche Vergangenheit ein Kampf gewesen war, gegen – – gegen wen? Gegen Gewalt und Unrecht? gegen Sünde und Verbrechen? gegen Falschheit und Hinterlist? gegen Habsucht und Ungerechtigkeit? – – Er wagte nicht, den Gedanken weiter fortzusetzen, und hätte es auch nicht gekonnt, selbst wenn es sein Wille gewesen wäre, denn Holzendorf trat wieder ein, um ihm zu berichten, daß die Pferde wohlgerüstet draußen vor der unbewachten Pforte ständen.
Beide Männer begaben sich mit leisen Tritten hinab in den Schloßhof, traten aus demselben hinaus zu den harrenden Thieren und bald ging es im scharfen Trabe auf Schloß Neumühl zu. Dort angekommen, wurden sie von dem altersschwachen Castellan empfangen, der nicht wenig erstaunt war, seine Ritter zu so ungewöhnlicher Stunde bei sich zu sehen.
Das Gebäude bot wenig wohnbare Gemächer dar; die besten von ihnen bewohnte der Voigt mit seiner Frau selbst. Ein davon etwas entlegenes wurde endlich für Dietrich erwählt und mit einigem Mobiliar und einem Bette versehen. Er mußte sich hineinlegen und den Kranken spielen. Er galt den beiden Schloßbewohnern gegenüber für einen Quitzowschen Knecht, der sich der Belagerung Friesacks durch die Flucht entzogen hatte und während derselben verwundet worden war, und es wurde ihnen streng auf die Seele gebunden, ihn gut zu verpflegen, nicht durch ungeforderte Dienste und Handreichungen zu belästigen und eben so auch dafür Sorge zu tragen, daß er nicht durch Andere gestört werde. Dann ritt Werner wieder nach Bützow zurück.
Die beiden alten Leute thaten ihre Schuldigkeit, so daß Dietrich sich nicht über sie beschweren konnte. Sie wußten in ihrer Abgeschiedenheit wenig von den Händeln der Welt da draußen; dennoch aber erfuhren sie das Schicksal, welches Friesack betroffen hatte, und vernahmen auch, daß Dietrich von Quitzow entflohen und von dem Markgrafen ein Preis auf seinen Kopf gesetzt worden sei. Georg, der Castellan, brachte seinem Pfleglinge diese Botschaft sofort in dessen Gemach.
»Weißt Du,« frug er ihn, »wie es jetzt um Euer stolzes Friesack steht?«
»Wie soll ich das wissen, da ich doch mit Niemand zu sprechen komme!«
»Es ist erobert worden. Die große Donnerbüchse, welche sie die ›faule Grethe‹ nennen, hat die gewaltigen Mauern niedergerissen, und die Markgräflichen sind durch die Lücken eingedrungen.«
»Das lügst Du und der Teufel!« fuhr Dietrich zornig auf. »Ich habe – – sie sind,« verbesserte er sich, wohl merkend, daß er eine Unvorsichtigkeit begangen habe, »von den Unsrigen zurückgeschlagen worden. Was Du sagst, will ich nicht glauben, und es scheint mir eher, daß Friesack nicht erstürmt, sondern freiwillig übergeben worden sei, weil die Besatzung wohl eingesehen haben muß, daß mit unnützem Blutvergießen Nichts mehr erzielt werden kann.«
»Das mag sein, wie es wolle; ich weiß nur, daß Friesack in den Händen der Markgräflichen sich befindet und Ritter Dietrich von Quitzow vor der Uebergabe entflohen ist.«
»Und was ist mit seinem Weibe und seinen Kindern geschehen?«
»Sie haben, ebenso wie die Besatzung, frei abziehen können und von dem Ihrigen mitnehmen dürfen, was sie fortbrachten. Es soll ein gar trauriger Anblick gewesen sein, als Frau Elisabeth an der Spitze ihres Ingesindes und all’ ihrer Mannen durch das Lager gezogen ist,
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