Der beiden Quitzows letzte Fahrten
der Richtung von Westen nach Osten aufgestellt, so daß der Richter am Westende saß und gegen Morgen schaute.
Allmälig fand sich das Volk ein und umgab die Gerichtsstätte. Wie Meereswogen rauschte das Gemurmel der vielen Stimmen durch den kalten Morgen und dämpfte selbst dann nicht, als Hans von Torgau als fürstlicher Rath und Richter mit den Schöppen oder Urtheilern der Gerichtsbank aus dem Schlosse trat.
Mit Aufgang der Sonne nahmen Alle ihre Plätze ein. Richter und Schöppen hatten Mäntel über die Schultern und erschienen unbewaffnet mit bloßem Kopfe und ohne Handschuhe, wie es der Gebrauch erforderte. Die Schöppen setzten sich auf die Bänke. Hans von Torgau aber setzte sich auf den Stuhl, indem er vorschriftsmäßig ein Bein über das andre schlug, in jenen Zeiten der Ruhe, der Beschaulichkeit und des Nachdenkens. Die Namen der Schöppen sind uns aufbewahrt; es waren: der junge Hans von Uchtenhagen, Heinrich von Strantz, Kunz von Hohendorf, Hans Barfuß, Czaslau von Conradsdorf, Siegmund von Knoblauch, Albrecht von Buste, Wieprecht von Thömen, Raven von Neukirchen, Albrecht von Quast, Cuno von Thömen, Witza Wolf und Herrmann Itzenplitz.
Hans von Torgau ergriff den weißen Stock und hielt ihn aufrecht in der Hand. Dann fragte er:
»Ist es an der Tageszeit, daß ich meinem Herrn das Lehnrecht hegen möge?«
»Es ist hoch am Tage,« antwortete Wieprecht von Thömen, »und die Sonne scheinet, so daß Ihr, wenn Ihr von Gott und von unserm Herrn, dem Markgrafen, die Macht und Gewalt habt, ein öffentliches Lehnricht hegen, halten und spannen möget!«
»Ist der Stuhl zu der Hege genugsam besetzt?« frug Hans weiter.
Cunz von Hohendorf erhob sich und überblickte die Zahl der auf den Bänken Sitzenden. Dann antwortete er:
»Er ist zur Hege genugsam besetzt, und wir sind alle vorhanden, die zum Rechte erforderlich sind.«
Darauf schlug Hans mit dem Stabe auf den Tisch.
»So gebiete ich denn Stille und befehle Bann und Frieden, daß ein Jeder schweige und sich aller Keif-und Scheltworte enthalte. Niemand gehe aus dem Gerichte oder in das Gericht, er habe denn Urlaub; Keiner falle dem Andern in das Wort, ohne Erlaubniß zu fordern, und auch Niemand besetze ohne Erlaubniß eines Andern Stelle. Ich verbiete Zwietracht und Alles, was das Gericht kränken kann; ich verbiete Hand und Mund, und ich verbiete Euch überhaupt Jedes, was ich verbieten soll, und erlaube Alles, was ich erlauben soll, hin und her zum ersten, zum zweiten und zum dritten Male. Die Lehnbank ist gespannt!«
Ringsum trat die tiefste Stille ein. Alle Zuschauer und Zuhörer, welche, weil sie um das Gericht herum standen, der Umstand genannt wurden, beobachteten das größte Schweigen, denn ganz allgemein galt das Gericht als etwas durchaus Heiliges und Ehrfurchtgebietendes, weshalb auch die Richter und Schöppen mit vollem Vertrauen ohne Schutz und Waffen ihr ernstes Geschäft mitten unter der Volksmasse ausüben konnten, von der sie häufig durch gar kein Hinderniß, öfters nur durch einen dünnen, umspannenden Faden oder eine unbedeutende hölzerne Schranke geschieden waren; ein Beweis, daß die nicht wegzuleugnende Rohheit der Masse doch ihres Zügels nicht entbehrte, wo es nothwendig war. Die Ueberschreitung der gesetzten Schranke wurde hart gebüßt. Ausländer durften sich ihr nur bis auf eine gewisse Entfernung, meistens bis auf sechzig Fuß, nahen.
»So weiset mir denn,« fuhr Hans von Torgau fort, »ob die Bank nach Lehenrecht gespannt ist, und ob ich ein rechtes Lehengericht halten werde!«
Die Schöppen antworteten im Chore:
»Die Bank ist nach Recht und alter Gewohnheit gespannt, genugsam besetzt, und es ist wohl an der Tageszeit, daß Ihr ein rechtes und gerechtes Lehengericht hegen und halten werdet.«
»So lasset den Kläger in die Schranken treten!«
Der Umstand öffnete eine Bahn, und Burggraf Friedrich näherte sich mit seinem Vorsprach und blieb dem Richter gegenüber am östlichen freien Ende des Tisches stehen.
Richter und Beisitzende erhoben sich ernst, um den hohen Herrn schweigend zu begrüßen; dann wandte sich Hans an den Vorsprach:
»Ihr habt Urlaub, zu sprechen!«
»Herr Richter,« nahm darauf der Angeredete das Wort, »ich klage gegen den Ritter Werner von Holzendorf und frage, ob ich in besetzter und gehegter Bank zu Lehenrecht mit Urtheil rechtlich und vollkommen mit meiner Klage komme!«
»Ihr kommet rechtlich und vollkommen zu uns mit Eurer Klage!«
»Herr Richter, ist Werner von Holzendorf
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