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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schiffer ihren Namen hört, so lenkt er den Kiel gegen die Insel und fährt mitten durch unser Häuschen hindurch.«
    »Heilige Maria, wäre das ein Entsetzen! Wer ist der Furchtbare denn eigentlich bei Lebzeiten gewesen?«
    »Er war ein guter und tüchtiger Seemann, der aber ein böses Weib hatte. Er ist in den Himmel gekommen und sie in die Hölle, und nun fährt er immer des Nachts auf seinem Kahne hinunter bis an die Teufelspforte, um sich über die Gesichter zu freuen, die sie in den Flammen schneidet. Wenn ihm unterwegs ein weibliches Wesen begegnet, oder wenn er auch nur den Namen eines Weibes nennen hört, so fährt er auf sie los, nimmt sie mit und wirft sie in den Schwefelpfuhl. Darum werden jetzt immer weniger Frauen und immer mehr Männer. Er wird nicht eher aufhören, als bis alle Weiber auf der Erde ausgerottet sind.«
    »Gott stehe uns bei! Das muß ich der Rieke Hannecken sagen, damit sie sich in Acht nimmt. Sie sagte mir vor einigen Tagen, daß – – –«
    »Willst Du wohl gleich von Deiner Rieke Hannecken schweigen! Ich habe Dir ja gesagt, daß Du die ganze Insel unglücklich machst und uns alle in’s Verderben bringst, wenn Du jetzt von ihr sprichst.«
    »Heilige Jungfrau und heiliger Vater Joseph, das hatte ich ganz vergessen! Ich glaube, es ist besser, wenn wir lieber ganz schweigen und uns zur Ruhe legen, denn wenn ich mit Jemandem rede, so fällt mir immer die Rieke Hannecken ein und – – –«
    »Ruhig, sage ich Dir, sonst sind wir verloren!«
    »Hinrich, das geschah wahrhaftig ohne meine Schuld! Komm, leg Dich nieder. Der heilige Michael, welcher den Drachen erstochen hat, möge bei uns sein und uns beschützen vor allen Rathschlägen Beelzebubs. Gute Nacht!«
    »Gute Nacht!« – – –
    Mit dem kommenden Morgen schienen die Winde ihre Kraft zu verlieren und eine ruhigere und weniger gefährliche Fahrt zu ermöglichen. Das Boot, welches während der Nacht an Neuwerk angelegt hatte, war nach Form der jetzigen Kutter gebaut, trug auf schräg nach vorn stehendem Maste ein dreieckiges Segeltuch und führte an jedem Borde acht Ruder, welche von sechszehn kräftigen Armen bewegt wurden, unter deren Drucke das Fahrzeug ganz zufriedenstellend gegen den Wind anhielt. Das Steuer wurde von zwei Männern bedient und vorn am Buge saß der Schiffer, welcher den Pater aus der Grube geholt hatte. Dieser Letztere war jetzt nicht zu sehen; er lag unter dem Halbdecke und ruhte sich von den gehabten Anstrengungen aus.
    Schon längst waren die Ufer des Stromes zu beiden Seiten zurückgetreten und die Wogen breiter, höher und mächtiger geworden. Das Kurzeis, welches die Elbe geführt hatte, breitete sich über die Fläche aus, so daß es dem Fortkommen kein Hinderniß mehr bereitete und als eine weißgraue, breiartige Masse auf den sich hebenden und senkenden Wassern auf-und niederstieg.
    »Steurer, laßt ab zwei Strich nach Backbord!« kommandirte der Bootsmann vorn am Buge und kam dann zwischen den Ruderern hindurch langsam nach hinten.
    Die Steuerleute folgten überrascht der unerwarteten Weisung, indem sie ihr Auge mit scharfem Blicke über den vor ihnen liegenden Horizont schweifen ließen.
    »Etwas in Sicht, Bootsmann?« fragte der Eine.
    »Ein Schiff,« antwortete dieser, indem er den Arm erhob, um ihnen die Richtung anzudeuten. Ganz draußen am äußersten Rande des Gesichtskreises war ein dunkler Punkt zu erkennen, welcher sich langsam und fast unmerklich fortbewegte.
    »Er ist noch etwas weit vor uns. Macht, daß wir ihm näher kommen. Legt Euch in die Pinnen, Ihr Männer,« rief er den Ruderern zu; »ich möchte gern sehen, was für ein Mann es ist!«
    Zu gleicher Zeit gab er dem Mann am Maste einen Wink; dieser griff an das Tau, das Segel breitete sich aus, und das Schiff flog mit bedeutend erhöhter Geschwindigkeit weiter. Niemand sprach ein Wort; Viertelstunde auf Viertelstunde verging. Endlich wandte sich der Bootsmann wieder an die Steurer.
    »Es ist ein Däne, den das Lüftchen von den Friesländern hergetrieben hat. Ein schlechter Segler; hat aber vielleicht Etwas im Leibe. Seht, er bemerkt uns und hält frisch auf uns zu! – – Hm!« machte er nachdenklich, indem er den Horizont ringsum abmusterte, »möchte wohl wissen, wie viel Seelen er an Bord hat! Es wäre doch ein verteufelt hübscher Streich, wenn ein kleines Boot – – – na, und von ihm wegkommen können wir allemal noch zu rechter Zeit. Wollen einmal den Versuch machen. Laßt ab vom Rudern und legt vier Bänke bei! Ein

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