Der Benedict Clan 05 - Fremder Feind
aus Afghanistan zurückkehrte, hatte er sich völlig verändert. Alle Sanftheit war verschwunden, man hatte ihn zu einem Schwert des Islam geschmiedet."
„Und du?"
„Ich war jünger, und ich war nur ein Mädchen, also war meine Großmutter für mich verantwortlich. Ich war unwürdig, zur Schule geschickt zu werden. Wenn ich manchmal meinen Bruder sehe, denke ich, es war so auch recht."
Treenas sanfte Stimme brach ab, als könnte sie nicht weiterreden. „Verzeih mir, Schwester im Herzen", sagte Chloe rasch. „Ich wollte nicht über Dinge sprechen, die dir Schmerzen bereiten."
„Nein, ich möchte, dass du verstehst. Wäre unser Vater früher heimgekehrt und hätte er nicht unsere Mutter durch eine stolze Amerikanerin ersetzt, die in jeder Hinsicht hübscher, gebildeter und stärker war, als unsere Mutter es je war, dann wäre vielleicht alles in Ordnung gewesen. Hätte er nicht eine neue Tochter mitgebracht, die so war wie ihre Mutter und die er offenbar mehr liebte als seine eigenen Kinder ..."
„Das ist nicht wahr."
„Wirklich nicht? Für Ahmad war das die Wahrheit, und für ihn genügte das. Aus dieser Überzeugung wurde der Schliff für die scharfe Klinge seines Zorns. Dies und viele andere Dinge mehr."
„Welche Dinge?"
„Ach, die Intervention durch Fremde, die ausländischen Regierungsagenten in unserem Land und unserer Politik."
„Du meinst damit die CIA." Überall erzählte man sich die Geschichten von Geldern, die flössen, um die eine oder andere Gruppierung in einem nicht enden wollenden Krieg zu unterstützen, der die Region bereits hoffnungslos verwüstet hatte. Aber es war schier unmöglich, die Wahrheit von der Dichtung zu trennen.
„Und die Sowjets, die Chinesen, die Pakistaner, auch wenn die nicht von Bedeutung sind. Es sind die Amerikaner, die er zu den Dämonen erklärt hat, die unser Land beherrschen oder in Grund und Boden bombardieren wollen. Ich spreche nur aus der Hoffnung heraus, dass du verstehst, warum mein Bruder handelt, wie er handelt - sowohl in der Vergangenheit als auch zukünftig."
„Zukünftig?" Treenas bedeutungsschwangerer Tonfall ließ Chloe erschaudern, obwohl sich in dem geschlossenen Raum immer noch etwas von der Hitze des Tages gehalten hatte.
„Ein Freund sprach vor zwei Abenden in der Hajra mit Ahmad, ein junger Mann namens Zahir."
„Ich hörte ihn eintreffen." Gesehen hatte sie den Mann natürlich nicht. Frauen war der Aufenthalt in diesem speziellen Raum untersagt, wenn männliche Gäste empfangen wurden.
„Als ich am Gitter vorüberging, hörte ich sie mit gedämpfter Stimme reden. Das ließ mich aufhorchen. Ich hörte ihnen zu, wie sie über Geld sprachen, über eine Aussteuer."
Chloe starrte sie an. „Was willst du damit sagen?"
„Es kann nicht Ahmad betroffen haben, da er geschworen hat, niemals zu heiraten, und meine Uma ist noch viel zu jung, um eine Braut zu sein." Sie strich ihrer Tochter, die auf Chloes Schoß saß, über die Wange.
„Aber ... du kannst damit doch nicht mich meinen. Ich bin zu alt!" Der Schock ließ Chloe wie betäubt dasitzen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte das seit Jahren befürchtet, seit ihr Stiefvater zum ersten Mal auf dieses Thema zu sprechen gekommen war. Als dann jedoch nichts dergleichen in die Wege geleitet wurde, hatte sie sich der Hoffnung hingegeben, es würde niemals dazu kommen.
„Das ist richtig. Doch auch wenn eine jüngere Braut bevorzugt wird, weil sie besser erzogen werden kann, bist du mit deiner hellen Haut und deiner Haarfarbe etwas Ungewöhnliches. So etwas zieht viele Männer an."
„Ahmad will mich loswerden."
„Es ist ein Brautpreis zu zahlen."
„Ja, natürlich."
„Sorge dich nicht, meine liebste Chloe. Jeder, den Ahmad für dich als Ehemann auswählt, würde sich in dich verlieben, etwas anderes ist überhaupt nicht möglich. Du bist freundlich und gut, und du wirst ihm intelligente Kinder schenken. Die werden auch hübsch anzusehen sein, denn du bist hübsch mit deinen Augen, die blau sind wie die Berge, und deinem langen Haar, das wie braune Seide glänzt." Sie strich über ihren Bauch, der kaum eine Rundung aufwies, da sie erst etwa im vierten Monat schwanger war. „Deine Kinder werden dein Trost sein."
Kinder. Chloe legte ihre Arme enger um Uma und strich mit ihren Lippen über den kleinen Kopf, als aufwallende Liebe für dieses Kind sie durchströmte, dem sie auf die Welt geholfen, um das sie sich gekümmert und dem sie schon so viel beigebracht
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