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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Anna gelaufen. In ihrer Kammer hatte es Asyl gefunden, und eine wortreiche und höchst überzeugende Fürbitte bei der Priorin hatte erwirkt, dass Feli, wie das Mädchen das Tier nannte, zur Mäuse jagenden Stiftskatze ernannt wurde. Nicht alle Einwohner des Stifts schätzten die Katze, zwei ältere Kanonissen murmelten etwas von einem bösen Blick und hinterhältigen Augen, die Köchin blieb reserviert, und die Singmeisterin war angeekelt, da sie vor allem mit den Opfern der kätzischen Beutezüge beglückt wurde. Doch ansonsten konnte sich das schöne, schlanke Tier durchaus einer zärtlichen Aufmerksamkeit erfreuen. Es fand damit auch Eingang in Annas Stundenbuch in einer Szene, in der ein Mädchen mit einem roten Kätzchen spielte.
    Die letzte Seite der Bilder und Texte zur Laudes stellte schließlich ebenfalls ein junges Mädchen dar, dessen strahlendes Gesicht von einem leuchtenden, goldenen Flammenkranz umgeben war. Die Sonne, das helle, lichte Kind des Tages, verspielt und heiter, warmherzig,voller Leben und Gesundheit. Anna wusste, sie hatte das sonnige Wesen in Valeska geweckt, und sie war glücklich darüber. Und darum schrieb sie die Worte des 136. Psalmes unter dieses Bild: »Er schuf die Sonne zur Herrschaft bei Tag; denn ewig währt seine Huld.«

17. Kapitel
 
 Hrabanus Vorschlag
    Ein Jahr nachdem Anna Valeska zu sich genommen hatte, hatte sich das Mädchen zu einer anstelligen Magd entwickelt und gewann ständig an Lebensfreude und Heiterkeit. Mit jedem Lot Gewicht, das sie bei dem reichhaltigen Essen im Stift ansetzte, nahm auch ihre herzerwärmende Fröhlichkeit zu. Sie trällerte und sang bei der Arbeit, hatte immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen und bemühte sich nach Kräften, Anna so viel Bequemlichkeit zu schaffen wie es ihr nur möglich war. Anna und Rosa hatten nun jede ihre eigene Kammer, aber Anna hatte Valeska beauftragt, sich zusätzlich um ihre Freundin zu kümmern. Rosa, die anfänglich die Nase gerümpft hatte, ließ sich schon nach wenigen Tagen von Valeskas Frohsinn anstecken, und hin und wieder bemerkte Anna, wie die beiden gegenseitig ihr Repertoire an höchst bedenklichem Liedgut ergänzten.
    Hrabanus Valens hatte sich im September, kurz vor Annas dreiundzwanzigstem Geburtstag, zu einem Besuch angekündigt, um mit ihr, wie er der Äbtissin verraten hatte, eine wichtige Angelegenheit zu besprechen. Welche, das hatte er nicht mitgeteilt, nur dass er sie nach der Non zu sprechen wünschte. Anna hatte sich von den Stundengebeten beurlauben lassen und dafür beschlossen, ein ausgiebiges Bad zu nehmen. Sie ging quer über den Hof, wo sich in dem Wirtschaftsgebäude des Stifts neben der Küche gleich die Badestubeder Bewohnerinnen befand. Hier war es wegen des großen Küchenkamins, der nebenan für die Herstellung der Mahlzeiten dauerhaft in Betrieb gehalten wurde, ständig warm. Aber es gab auch einen eigenen Ofen, in dem der Kessel mit dem Badewasser erhitzt wurde und durch eine kunstreiche Einrichtung in die beiden großen Holzbottiche geleitet werden konnte. Die Stiftsdamen waren dankbar für diese bequeme Badestube, denn den Besuch der öffentlichen Häuser mit ihrem gemischten Publikum, lehnten die adligen Frauen als äußerst widerwärtig ab.
    Valeska kam hinter Anna hergerannt. Sie legte Holz im Ofen nach und prüfte die Wassertemperatur.
    »Es ist nur lauwarm, Herrin. Einen Moment werdet Ihr noch warten müssen.«
    »Nein, es geht schon so. Der Herr kommt bald, und ich muss fertig werden. Lass Wasser einlaufen.«
    Valeska gehorchte und half ihr, die schlichten Kleider abzulegen, die sie gewöhnlich bei ihrer Arbeit im Skriptorium trug.
    »Ihr habt Euch mal wieder die Stirn, das Gebände und die Haare mit roter Farbe beschmiert, Herrin. Ihr seht aus, als hättet ihr Euch gerauft und einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ihr müsst Euch die Haare waschen, Herrin. Schnell, schnell, in die Wanne!«, befahl sie jetzt und half Anna, in den Bottich zu steigen. »Kommt Ihr selbst zurecht? Dann hole ich Euch das blaue Kleid und eine Haube.«
    »Ich bin noch nicht so gebrechlich, dass ich mir nicht selbst die Haare waschen könnte. Geh zu Rosa und bitte sie, den Herrn zu begrüßen und in den Kapitelsaal zu führen.«
    Valeska klemmte sich die Kleider unter den Arm und schloss die Tür hinter sich. Anna goss sich das laue Wasserüber den Kopf und begann, die rote Farbe abzuwaschen. Als sie fertig war, stellte sie verärgert fest, dass Valeska weder mit einem Handtuch noch mit

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