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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Dampf aus dem Luftbefeuchter quoll und sich im Licht vor dem Panoramafenster gelblich verfärbte. Bei dem Dampf dachte sie an ein anderes Zimmer. »Was sollen wir bloß machen, Gramma C.?« Concarnadine lächelte wunderschön und zog an der welken Haut ihrer Hände. Lenore sah, wie sie vor Freude den Kopf hin und her rollte.
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10. September
    Fangen wir also an. Waden. Haltung. Duft. Geräusche in Zonen des Lichts.
    Erstens. Die Waden. Sollen wir über die Eigenart des Sonnenlichts sprechen, immer auf diese ganz bestimmte Weise auf ihren Waden zu schimmern? Und dadurch auch über die Waden? Eine erotische Fläche, weder stumpf noch hart. Eine stumpfe Oberfläche gleich keine Reflexion. Eine harte Oberfläche gleich vulgäre, glänzende Paillette.
    Aber die Reflexion einer weichen, samtenen – sorgsam rasiert samtenen –, vollkommen reinen suburbanen Haut. Das Licht auf den Schienbeinen, wenn sie ihre Waden über die Seitenlehne eines Stuhls baumeln ließ oder wenn sie die Luft durchscherten, wenn sie mit ihren Clogs über den Bürgersteig ging, was feste Geräusche hinterließ ... oder, ja, genau, wenn sie im Country Club am Rand des Pools saß, die Füße im Wasser, und der leichte Druck des Steins auf der Wade zwei schimmernde Ovale hervorbrachte.
    Ich ziehe einen neuen, rotäugigen Vance Vigorous aus dem Pool, und als wir gerade in die üblichen Corndog-Verhandlungen eintreten, sitzt unversehens Mindy Metalman auf diesem Liegestuhl und saugt etwas Kaltes durch einen Strohhalm. Da ist die Sonne von Scarsdale, die von ihrer weichen Haut reflektiert wird, und ich bin plötzlich ganz woanders, und Vance schrumpft und wird immer kleiner.
    Mit nasser Krawatte richte ich mich über der Fontäne von Baby Vance auf, um Mindy Metalman zu sehen sowie, zur Dekoration, noch zwei oder drei zufällige Kinder aus der Nachbarschaft, die ihren Circen-Tanz um Rex Metalmans Rasensprenger aufführen. Und, ja, auch hier ist das Licht, das von ihren Beinen durch das Wasser hindurch reflektiert wird. Und das Licht tritt aus und bricht sich im Nebel des Rasensprengers, und Nebel und Licht legen sich auf das nasse Gras, und das Licht bleibt übrig und beeinflusst die Luft ringsum. Ich sehe es sogar noch viel später, als ich am Fenster meines Arbeitszimmers etwas trinke und Rex Metalman auf allen Vieren auf der durchnässten, zertrampelten, nebelbetauten Wiese herumrutscht und jeden einzelnen Halm mit einer Pinzette wieder aufrichtet. Und in der Abendbrise flimmern meine eigenen Halme im Gleichklang der Gefühle.
    Hier, von meinem Fenster aus, ist Mindy Metalman zu sehen. Sie sitzt am Schreibtisch vor dem Fenster, hat die Beine angezogen und die Füße arglos auf die Fensterbank des offenen Fensters gestützt, um sich in der Sonne die Waden zu rasieren. Sie entdeckt mich auf der anderen Seite des Zauns und lacht. Frische Luft tut ja sooo gut. Und von da an bewegt sich die Klinge viel zu langsam über die Haut, um von mir noch ernst genommen zu werden. Für mich hat sich der Vorgang in diesem Moment zu einem ganz anderen Ritual gewandelt, auch wenn unter den Schaumfurchen auf dem gekrümmten Feld schließlich nur eine Fläche aus weichem rasierten Gold zum Vorschein kommt.
    Waden, Licht, Beine, Licht, alles wird gut.
    Zweitens. Haltung. Bin von Rex Metalman zu einer Art Ball für seine Tochter Melinda Susan Metalman eingeladen worden. (War es wirklich ein Ball? Warum erinnere ich mich nicht daran?) Jedenfalls eingeladen von Rex Metalman zu einer Art Einführung in die Gesellschaft Schrägstrich Pubertätsritual für seine Tochter.
    Besagte Veranstaltung wurde zum größten Teil bestritten von vielen, vielen Gruppen, ja, ganzen Stämmen abgehetzter, nervöser Mädchen, die sich, Stichwort Haltung, in den überladenen bonbonfarbenen Abendkleidern kein bisschen bewegen konnten. Dünn, die Köpfe gereckt, die Arme gegenseitig auf die Schultern gelegt, den Mund ständig am Ohr einer anderen – wie bei kleinen Mädchen. Ich blinzle über den Rand meines dritten oder vierten Drinks. Ich befinde mich mitten in einem klingelnden, süßen Morast, einem kalten Teich für Zuckerflamingos, Schneeblumen, die unter einer wechselnden, kristallinen Sonne allmählich erhärten. Dann geht eine Verwandlung vor sich, und die kleinen Mädchen bekommen etwas Reptilienhaftes, ihre Köpfe verlassen die Deckung wie der Kopf einer Schildkröte den Panzer und suchen ihre Umgebung nach Bedrohung und Belohnung ab – vielleicht den Pickel am Mundwinkel einer

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