Der Besen im System

mir, durch das der Wind bläst.
    Bei einer Gelegenheit – Rex fuhr in die Stadt, sie zur Schule, mich zur Arbeit – saß ich direkt hinter ihr. Wenn ich hinten saß, saß sie vorne auf dem Beifahrersitz. Aber sie wollte nie einen Sicherheitsgurt anlegen, und Rex sagte zu ihr: Du sitzt auf dem Todessitz, Melinda, du weißt das, und ich säße hinter ihr auf dem Rücksitz des Todes, wo meine Füße nicht einmal den Boden berührten außer den Hubbel in der Mitte.
    Und die Beifahrerscheibe reflektierte in einem gewissen Winkel den entgegenkommenden Verkehr, Autos und Trucks auf ihrem Spiegelbild, aber auch das ließ sie alles auf sich zukommen, Autos und Trucks auf Kollisionskurs mit ihrem Gesicht, in das sie eintauchten und explodierten, und aus dem Spiegelbild ihres Hinterkopfs flogen die Lichtsplitter direkt in mein verschlafenes aufgedunsenes Gesicht, dann wieder die blasse Straße und eine Welle ihres Dufts.
    Ja, der Duft kam direkt von ihrem Kopf, nicht von den explodierenden Bildern in der Scheibe. Aber ich bin kein kompletter Idiot. Es war nur ein Geruch: rein, reich, vage körperlich. Stell dir etwas auf der Wäscheleine vor, im sanften Wind. Man sollte es aber auch nicht übertreiben.
    Oder plötzlich bin ich auf einer Einkaufsstraße direkt hinter ihr und einer Freundin von ihr. Ich habe zum Lunch eine Brezel gegessen, groß und weich wie mein eigenes Gesicht und wahnsinnig salzig, damit mir der Partner des Brezelmanns ein paar Blocks weiter eine Pepsi verkaufen kann, aber hier waren die festen, sehr festen Geräusche ihrer Stiefel auf dem Gehweg, wie eine Pumpe in den Rohren eines tiefen Brunnens, na ja, so ähnlich, und hier waren ihre langen dichten Haare, die ihr den ganzen Rücken herunterhingen und in denen der Wind Sachen machte, natürlich: Haare gleich Duft, und ich war völlig perplex, und das Salz rieselte wie Sand, und Frau Lot mit ihrer Baskenmütze blieb mitten auf der Straße stehen, weil das Licht von Grün auf Rot gesprungen war.
    Allzu viel sagt ein Geruch auch nicht aus.
    Viertens. Geräusche und ein einsames kleines Ding.
    Veronica und Vance waren irgendwo, jedenfalls weg. Bei Veronica und mir hatte es Jahre gedauert, nur damit du eine Vorstellung hast. Es war August, ich hatte meine alljährliche Rex-Metalman-Pollenallergie und befand mich in der zweiten Woche unter Antihistamin, Nebenwirkungen Mundtrockenheit und gegen Wände laufen.
    Und es war Nacht, und ich war in meinem Arbeitszimmer, und weil es Nacht war, war das Licht an, und auch auf der anderen Seite des Zauns in Mindy Metalmans Zimmer war das Licht an, und das Fenster war auf, aber die Jalousien waren heruntergezogen. Von Antihistamin muss ich träumen. Mein Licht war an, und da es August war, wollten auch Insekten herein. Ich hatte für meine Zwecke für jede Lichtzone bestimmte Obergrenzen festgelegt, sowohl für die Insekten als auch ihre Nähe zum Licht. Das erleuchtete Zimmer lockte die Insekten ans Fenster, dauernd stießen sie gegen die Scheibe, da sie hereinwollten. Ein paar ließ ich herein, und das war okay, aber dann hörte ich dieselben Geräusche an der Milchglaskugel der Deckenlampe: Lass uns rein, lass uns rein. Ich schraubte also die Kugel aus der Halterung, und das Spiel wiederholte sich, nur dass die Insekten jetzt mit ihrem stumpfen Kopf direkt gegen die heiße Glühbirne flogen: lass uns rein, selbst wenn ihre Flügel dabei verbrannten. Na gut, aber wohin wollten sie noch? Denn wenn ich jetzt die Glühbirne aufbohrte, vielleicht mit dem winzigen Schraubenzieher für die Tasten der Schreibmaschine, wenn ich also auch diese letzte Grenze aufheben würde, was würde passieren? Entweder die Lampe ging kaputt und das Spiel war aus, oder sie würden genauso den Glühdraht umkreisen, bis sie verbrutzelten und herunter fielen.
    So stand ich auf Zehenspitzen und mit dem Schraubenzieher in der Hand auf meinem Schreibtisch, mit Glasscherben im Haar, trockenem Mund in der Dunkelheit und wünschte mir eine Spraydose mit Flit oder zu wissen, wo und was eigentlich der Ort war, zu dem die Insekten vorstoßen wollten. Und dann hörte ich Geräusche von gegenüber.
    Und sie kamen aus Mindy Metalmans Zimmer. Hinter der weißen Jalousie waren Schatten. Und dann diese Geräusche ... genau wie ihr Duft, klein und durchdringend zugleich ... Geräusche einer Lust, nicht einer Person, der sie sich hingab. Ich kniete mich zwischen allerlei Papier, Glas und Heuschnupfenkapseln und sah in der Auffahrt der Metalmans einen unbekannten,