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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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und dem Markiseneingang. Beide trugen Wintermäntel, die dem Aussehen nach aus Schlafsäcken hätten geschneidert sein können. Worüber auch immer sie sich unterhielten, sie konnten es einfach nicht glauben.
    »Eyh, ich hab's ja nicht geglaubt«, sagte die eine, die einen Ohrhänger aus Büroklammern trug.
    »So ein Arschloch«, sagte die andere.
    »Nein, ich hab's ja nicht geglaubt, ich bin einfach ausgetickt, als er mir das gesagt hat, sag ich mal.« Das Mädchen machte eine Geste.
    »Dieser Klorandwichser.«
    Es war kalt für September. Lenore trug ihren grauen Wollmantel. Lang hatte eine Schaflederjacke mit imitiertem Fellkragen an. Nach einer halben Stunde Wartezeit waren sie dem Ticketschalter schon ziemlich nahe.
    »Nett von dir, dass du mitgekommen bist«, sagte Lenore. »Vor allem so von jetzt auf gleich und wo Mindy in der Stadt ist und trotz der ganzen Arbeit.«
    Lang lächelte auf sie hinunter und spielte mit seinen Autoschlüsseln.
    »Rick wollte ja nicht mit«, sagte Lenore. »Er hat mir mehr oder weniger vorgeschlagen, dich zu fragen.«
    »Das ist dann ja fast so etwas wie eine Dienstanweisung.«
    »Und Candy hat Nachtschicht bei Allied.«
    »Aber ich betrachte es nicht als Arbeit, Lenore«, sagte Lang. »Sondern als Vergnügen.«
    »Kopek Spasova soll absolut spitze sein.«
    »Und dein Daddy hat dir gesagt, du sollst dir das ansehen?«
    »Dad hat mir nichts zu sagen. Er sagte, er würde sich freuen, wenn ich es täte. Aber wenn ich keine Lust dazu hätte, würde ich auch nicht gehen.«
    Lang grinste. »Bist du da sicher?«
    »Natürlich. Wenn ich das für Sseisse hielte, um es mal so zu sagen, würde ich es nicht tun.«
    »Tja, wenn mein Daddy mir etwas sagt, dann ist das Gesetz – in der Regel.«
    Lenore sah ihn an. Ihr dampfender Atem kam seinem Gesicht nahe, ehe er sich auflöste. »Er hatte etwas gegen die Ehe mit Mindy Metalman, sagst du?«
    Lang lachte. »Okay, das war eine Ausnahme. Normalerweise tue ich, was er sagt«, sagte er ernst. »Und manchmal dauert es etwas, bis wir uns einigen.«
    Erieview Plaza strahlte im Licht. Vor der Lobby des Erieview Tower und dem Ticketschalter hatte man eine Eingangsmarkise aufgebaut. Auf der Markise ein elektrisch blinkendes Mädchen, das sich mit den Füßen an einer Reckstange festhielt und Überschläge machte. Daneben pulsierten die Neonumrisse eines Babys mit einem Löffel in der Hand. Die Fenster des Bombardini Building tauchten das Ende der Schlange in ein gelbes Licht.
    »Okay, nur für das Protokoll: Du bist also freiwillig hier?«
    »Ich mag den Turnsport. Noch letzten Monat habe ich mir die Weltmeisterschaften im Fernsehen angeguckt.«
    »Aber der Auftritt von diesem Mädchen ist der Beginn von Gerbers Tet-Offensive gegen die Firma von deinem Daddy, hat mir Neil gesagt.«
    »Darum geht es nicht. Ich bin nicht Dad oder Dads Firma.«
    »Aber was machen wir dann hier? Ich könnte mir tausend andere Sachen vorstellen, die mehr Spaß machen.«
    »Du bist kein Witz, Mann«, sagte der Vietnamese vor ihnen, dessen Gruppe inzwischen den Ticketschalter erreicht hatte. Er und eine der Frauen redeten aufgeregt auf den Mann hinter dem Fenster ein.
    »Ach du Schreck, das ist ja Mr. Beeberling hinter dem Schalter«, sagte Lenore.
    Lang warf einen kurzen Blick auf den Ticketschalter, bevor er weiter die Schlange hinter sich beobachtete.
    »Beeberling ist Gerbers rechte Hand«, sagte Lenore. »Er war derjenige, der die Idee mit diesem Zusatz hatte, von dem die Babys kauen lernen.«
    »Und nicht singen wie die Vögel?«
    »Was?«
    Am Schalter kam es zu einer längeren Debatte. Der Vietnamese zeigte mit dem Finger auf den Eingang zur Erieview-Lobby. Und Mr. Beeberling wurde mitgeteilt, er sei Sseisse.
    »Nein, pass mal auf«, sagte Lang und beugte sich zu Lenore hinunter, um sich in dem Lärm verständlich zu machen. Sein Kieferknochen war glatt und roch süß, sogar in der Kälte.
    »Ich würde vorschlagen«, sagte er, »wir fahren jetzt nach Hause und gucken uns ›Dallas‹ an. Irre Serie. Und ich habe einen neuen Fernseher, Supergerät. Ich habe auch Wein im Haus. Ich wette, das macht mehr Spaß als eine ganze Waggonladung voller verhungerter Turnmäuschen mit prähensilen Krallenzehen.« Er hielt inne und sah Lenore an. »Natürlich nicht, wenn du freiwillig hier bist. Aber nur, weil Daddy es so will ...?«
    »Nein, hör mal ...«, sagte Lenore, als sie von der Schlange hinter ihnen gegen die Scheibe des Ticketschalters gedrückt wurden, wobei Lang seinen

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