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Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Der Besuch der alten Dame (German Edition)

Titel: Der Besuch der alten Dame (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Recht mehr habe.
    DER LEHRER Kein Recht? Gegenüber dieser verfluchten alten Dame, dieser Erzhure, die ihre Männer wechselt vor unseren Augen, schamlos, die unsere Seelen einsammelt?
    ILL Ich bin schließlich schuld daran.
    DER LEHRER Schuld?
    ILL Ich habe Klara zu dem gemacht, was sie ist, und mich zu dem, was ich bin, ein verschmierter windiger Krämer. Was soll ich tun, Lehrer von Güllen? Den Unschuldigen spielen? Alles ist meine Tat, die Eunuchen, der Butler, der Sarg, die Milliarde. Ich kann mir nicht mehr helfen und auch euch nicht mehr.
    Der Lehrer steht auf, mühsam, schwankend.
     
    DER LEHRER Bin nüchtern. Auf einmal. Er geht schwankend auf Ill zu. Sie haben recht. Vollkommen. Sie sind schuld an allem. Und nun will ich Ihnen etwas sagen, Alfred Ill, etwas Grundsätzliches. Er bleibt kerzengerade vor Ill stehen, nur noch leicht schwankend. Man wird Sie töten. Ich weiß es, von Anfang an, und auch Sie wissen es schon lange, auch wenn es in Güllen sonst niemand wahrhaben will. Die Versuchung ist zu groß und unsere Armut zu bitter. Aber ich weiß noch mehr. Auch ich werde mitmachen. Ich fühle, wie ich langsam zu einem Mörder werde. Mein Glaube an die Humanität ist machtlos. Und weil ich es weiß, bin ich ein Säufer geworden. Ich fürchte mich, Ill, so wie Sie sich gefürchtet haben. Noch weiß ich, daß auch zu uns einmal eine alte Dame kommen wird, eines Tages, und daß dann mit uns geschehen wird, was nun mit Ihnen geschieht, doch bald, in wenigen Stunden vielleicht, werde ich es nicht mehr wissen. Schweigen. Noch eine Flasche Steinhäger.
    Ill stellt ihm eine Flasche hin, der Lehrer zögert, dann nimmt er die Flasche entschlossen zu sich.
     
    DER LEHRER Schreiben Sie sie auf. Er geht langsam hinaus.
    Die Familie kommt wieder. Ill schaut sich wie träumend im Laden um.
     
    ILL Alles neu. Modern wie dies jetzt bei uns aussieht. Sauber, appetitlich. So ein Laden war immer mein Traum. Er nimmt seiner Tochter den Tennisschläger aus der Hand. Du spielst Tennis?
    DIE TOCHTER Habe einige Stunden genommen.
    ILL Morgens früh, nicht wahr? Statt aufs Arbeitsamt zu gehen?
    DIE TOCHTER Alle spielen Tennis von meinen Freundinnen.
    Schweigen.
     
    ILL Ich habe dich in einem Wagen gesehen, Karl, vom Zimmer aus.
    DER SOHN Nur ein Opel Olympia, die sind nicht so teuer.
    ILL Wann lerntest du fahren?
    Schweigen.
     
    ILL Statt Arbeit zu suchen beim Bahnhof in der prallen Sonne?
    DER SOHN Manchmal. Der Sohn trägt verlegen das kleine Faß nach rechts hinaus, auf dem der Lehrer gesessen hat.
    ILL Ich suchte meine Sonntagskleider. Dabei fand ich einen Pelzmantel.
    FRAU ILL Zur Ansicht.
    Schweigen.
     
    FRAU ILL Alle machen Schulden, Fredi. Nur du bist hysterisch. Deine Furcht ist einfach lächerlich. Es ist doch klar, daß sich die Sache friedlich arrangiert, ohne daß dir auch nur ein Haar gekrümmt wird. Klärchen geht nicht aufs Ganze, ich kenne es, da hat es ein zu gutes Herz.
    DIE TOCHTER Bestimmt, Vater.
    DER SOHN Das mußt du doch einsehen.
    Schweigen.
     
    ILL langsam Es ist Sonnabend. Ich möchte mit deinem Wagen fahren, Karl, ein einziges Mal. Mit unserem Wagen.
    DER SOHN unsicher Du willst?
    ILL Zieht eure guten Kleider an. Wir wollen miteinander fahren.
    FRAU ILL unsicher Ich soll auch mitfahren? Das schickt sich doch nicht.
    ILL Warum soll sich dies nicht schicken? Zieh deinen Pelzmantel an, da wird er eingeweiht bei dieser Gelegenheit. Ich mache unterdessen die Kasse.
    Frau und Tochter gehen nach rechts hinaus, der Sohn nach links, Ill beschäftigt sich mit der Kasse. Von links kommt der Bürgermeister mit dem Gewehr.
     
    DER BÜRGERMEISTER Guten Abend, Ill. Lassen Sie sich nicht stören. Ich schaue nur schnell bei Ihnen herein.
    ILL Aber bitte.
    Schweigen.
     
    DER BÜRGERMEISTER Ich bringe ein Gewehr.
    ILL Danke.
    DER BÜRGERMEISTER Es ist geladen.
    ILL Ich brauche es nicht.
    Der Bürgermeister lehnt das Gewehr an den Ladentisch.
     
    DER BÜRGERMEISTER Heute abend ist Gemeindeversammlung. Im ›Goldenen Apostel‹. Im Theatersaal.
    ILL Ich komme.
    DER BÜRGERMEISTER Alle kommen. Wir behandeln Ihren Fall. Wir sind in einer gewissen Zwangslage.
    ILL Finde ich auch.
    DER BÜRGERMEISTER Man wird den Vorschlag ablehnen.
    ILL Möglich.
    DER BÜRGERMEISTER Man kann sich freilich irren.
    ILL Freilich.
    Schweigen.
     
    DER BÜRGERMEISTER vorsichtig In diesem Fall, würden Sie den Urteilsspruch annehmen, Ill? Die Presse ist nämlich dabei.
    ILL Die Presse?
    DER BÜRGERMEISTER Auch der Rundfunk, das Fernsehen,

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