Der Besuch der alten Dame (German Edition)
Sophokles).
Tragödie
(antike) Form der dramatischen Kunst, die voraussetzt, daß die Gemeinschaft ein Recht habe, in einen feierlichen Chor auszubrechen. Die Gemeinschaft wird idealisiert.
U
(siehe Kritiker).
Wäscher
Gottfried, Vater der Klara (Claire), Architekt. Erbauer des Gebäudes, welches der Zuschauer im ersten Akt gleich links erblickt (von ihm aus gesehen). Gestorben 1911.
X
(siehe U).
Zachanassian
Claire, geborene Wäscher, 1892 (siehe Gatten). Name zusammengezogen aus Zacharoff, Onassis, Gulbenkian (letzterer beerdigt in Zürich). Wohltätige Dame.
Geschrieben 1955 für das Programmheft der Uraufführung im Schauspielhaus Zürich.
Anmerkung I
Der Besuch der alten Dame ist eine Geschichte, die sich irgendwo in Mitteleuropa in einer kleinen Stadt ereignet, geschrieben von einem, der sich von diesen Leuten durchaus nicht distanziert und der nicht so sicher ist, ob er anders handeln würde: was die Geschichte mehr ist, braucht hier weder gesagt noch auf dem Theater inszeniert zu werden. Auch für den Schluß gilt dies. Zwar werden die Leute hier feierlicher, als es in der Wirklichkeit natürlich wäre, etwas mehr in der Richtung dessen hin, was als Dichtung bezeichnet wird, als schöne Sprache, doch nur, weil die Güllener nun eben reich geworden sind und als Arrivierte auch gewählter reden.
Ich beschreibe Menschen, nicht Marionetten, eine Handlung, nicht eine Allegorie, stelle eine Welt auf, keine Moral, wie man mir bisweilen andichtet, ja ich suche nicht einmal mein Stück mit der Welt zu konfrontieren, weil sich all dies natürlicherweise von selbst einstellt, solange zum Theater auch das Publikum gehört. Ein Theaterstück spielt sich für mich in der Möglichkeit der Bühne ab, nicht im Kleide irgendeines Stils. Wenn die Güllener Bäume spielen, so nicht aus Surrealismus, sondern um die etwas peinliche Liebesgeschichte, die sich in diesem Wald abspielt, den Annäherungsversuch eines alten Mannes an eine alte Frau nämlich – in einen poetischen Bühnenraum zu stoßen und so erträglich zu machen.
Ich schreibe aus einem mir immanenten Vertrauen zum Theater, zum Schauspieler heraus. Das ist mein Hauptantrieb. Das Material verlockt mich. Der Schauspieler braucht nur wenig, einen Menschen darzustellen, nur die äußerste Haut, Text eben, der freilich stimmen muß. Ich meine: So wie sich ein Organismus abschließt, indem er eine Haut bildet, ein Äußerstes, schließt sich ein Theaterstück durch die Sprache ab. Der Theaterschriftsteller gibt nur sie. Die Sprache ist sein Resultat. Darum kann man auch nicht an der Sprache an sich arbeiten, sondern nur an dem, was Sprache macht, am Gedanken, an der Handlung etwa; an der Sprache an sich, am Stil an sich arbeiten nur Dilettanten. Die Aufgabe des Schauspielers besteht darin, glaube ich, dieses Resultat aufs neue zu erzielen; was Kunst ist, muß nun als Natur erscheinen. Man spiele den Vordergrund richtig, den ich gebe, der Hintergrund wird sich von selber einstellen.
Ich zähle mich nicht zur heutigen Avantgarde, gewiß, auch ich habe eine Kunsttheorie, was macht einem nicht alles Spaß, doch halte ich sie als meine private Meinung zurück (ich müßte mich sonst gar nach ihr richten) und gelte lieber als ein etwas verwirrter Naturbursche mit mangelndem Formwillen. Man inszeniere mich auf die Richtung von Volksstücken hin, behandle mich als eine Art bewußten Nestroy, und man wird am weitesten kommen. Man bleibe bei meinen Einfällen und lasse den Tiefsinn fahren, achte auf eine pausenlose Verwandlung ohne Vorhang, spiele auch die Autoszene einfach, am besten mit vier Stühlen. (Diese Szene hat nichts mit Wilder zu tun – wieso? Dialektische Übung für Kritiker.)
Claire Zachanassian stellt weder die Gerechtigkeit dar noch den Marshallplan oder gar die Apokalypse, sie sei nur das, was sie ist, die reichste Frau der Welt, durch ihr Vermögen in der Lage, wie eine Heldin der griechischen Tragödie zu handeln, absolut, grausam, wie Medea etwa. Sie kann es sich leisten. Die Dame hat Humor, das ist nicht zu übersehen, da sie Distanz zu den Menschen besitzt als zu einer käuflichen Ware, Distanz auch zu sich selber, eine seltsame Grazie ferner, einen bösartigen Charme. Doch, da sie sich außerhalb der menschlichen Ordnung bewegt, ist sie etwas Unabänderliches, Starres geworden, ohne Entwicklung mehr, es sei denn die, zu versteinern, ein Götzenbild zu werden. Sie ist eine dichterische Erscheinung, auch ihr Gefolge, sogar die Eunuchen, die
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