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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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klar.
    Eine Hälfte des Gesichts fehlte, die andere war ein Gemisch aus Schwarz und Rot. Die Beine zuckten, dann lag der Mann still.
    In drei, vier Sätzen preschte ich die letzten Meter durch die Büsche und sprang über den Heckenzaun. Noch im Laufen machte ich mir ein Bild. Da waren drei Männer. Einer stand und hielt ein Gewehr in der Armbeuge, ein zweiter lag mit ausgestreckten Armen auf dem Boden und ein dritter kniete neben dem zweiten. Die Frau, die sich vorher hinter den Gardinen bewegt hatte und jetzt wie erstarrt im Hauseingang stand, nahm ich nur aus den Augenwinkeln wahr.
    Als ich die Gruppe erreichte, erhob sich der kniende Mann.
    Er war mit geflecktem Tarnanzug und Wollmütze bekleidet, ein großer Kerl mit Händen wie Kohleschaufeln.
    »Er hat ihn erschossen«, wimmerte er. »Einfach abgeknallt.«
    Es war wie bei einem Stichwort im Theater. Plötzlich kam Bewegung in die Szene. Der Mann mit dem Gewehr ließ die Waffe sinken. Der große Kerl machte zwei sehr schnelle Schritte auf ihn zu, packte ihn am Hals und schrie: »Du Schwein!« Die Frau, die im Hauseingang gestanden hatte, kam auf uns zugerannt. Bevor sie uns erreichte, griff ich den großen Kerl an der Schulter. Aber er spürte es wahrscheinlich gar nicht. Der Mann, dem das Gewehr aus der Hand geglitten war, japste bereits nach Luft. Ich hieb dem großen Kerl meine Handkanten in die Rippen und endlich ließ er die Hände sinken.
    »Machen Sie sich nicht unglücklich, Kallmeyer!«, sagte ich.
    Ich ging davon aus, dass er es war.
    »Dann nehmen Sie ihn fest, bevor ich ihm wie einer verdammten Taube den verdammten Hals umdrehe!«
    »Ich kann niemanden festnehmen. Was glauben Sie denn?
    Ich habe keinerlei Befugnisse.«
    »Keine Befugnisse, aber zu spät kommen! Wären Sie früher hier gewesen, würde Horst vielleicht noch leben.«
    Seine Wut richtete sich nun gegen mich. Ich behielt seine großen Hände im Auge und sagte: »Er war ein Freund?«
    »Ja, mein bester.« Kallmeyers Blick verschleierte sich, plötzlich wirkte er nur noch wie ein großer Junge. »Und Laflör, dieses Schwein, hat ihn umgebracht.«
    Laflör rieb sich den Hals und blickte schweigend auf den Toten. Sein Hände zitterten.
    »Ein Arzt, wir brauchen einen Arzt«, flüsterte die Frau.
    Ich gab ihr den Rat, die Polizei zu rufen.
    »Könnten Sie denn nicht…?«, bat sie.
    Ich schüttelte den Kopf. Es war besser, wenn ich in dieser Situation den Platz nicht verließ. Der Schuss war aus einer doppelläufigen Jagdflinte abgefeuert worden. Ich ging davon aus, dass eine Patrone noch im Lauf steckte, und da sollte sie auch bleiben.
    3.
    »Tauben!«, schnauzte Hauptkommissar Tepass vom
    Duisburger KK 11, zuständig für Tötungsdelikte und Erpressung. Zum wiederholten Male schaute er sich meine Visitenkarte an, die ich ihm gestern am Tatort gegeben hatte.
    »Sie waren dabei, als einem Mann das Gesicht weggeschossen wurde, und erzählen mir hier was von Taubenzucht.«
    »Ja, aber…«
    »Was aber, Herr Privatdetektiv Elmar Mogge?« Dass es Beamte gab, die andere nie ausreden ließen, wusste ich noch aus alter Erfahrung; war ja selbst mal bei der Truppe gewesen.
    Jetzt aber saß ich auf der anderen Seite vom Schreibtisch und wurde vernommen, und deshalb ärgerte ich mich, sagte jedoch nur: »Ich schätze, das hängt alles zusammen, die Tauben, die Züchter und der Knatsch im Verein.«
    »Schätzen! Ich will wissen, was Sie gesehen haben!«
    »Gesehen: eine Taube auf dem Dach, eine Frau hinter einer Gardine, den Himmel, Büsche, Weißdorn oder Rotdorn, kann aber auch Holunder gewesen sein, auf keinen Fall
    Brombeersträucher.«
    »Machen Sie nur weiter so, Herr Detektiv, ich freue mich immer, wenn Leute wie Sie witzig werden, dann kann ich mich manchmal gar nicht mehr halten vor Lachen. Ich werde schließlich dafür bezahlt, mir solche Späße anzuhören.« Seine Kiefer mahlten, er hatte rötliches Haar und einen rostbraunen Schnauzbart, der Mund darunter war ein Strich. Er sah mir ins Gesicht. »Jetzt gebe ich Ihnen gleich noch eine Gelegenheit für eine Scherzantwort. Ich frage Sie, warum Sie, nur ein paar Meter vom Tatort entfernt, nichts unternommen haben, wenn da ein Typ mit einer Schrotflinte aus dem Haus gestiefelt kommt, wie der Zeuge Kallmeyer aussagt. Sie wissen, worauf ich anspiele?«
    »Unterlassene Hilfeleistung?«
    »Zum Beispiel.«
    »Ich habe kein Gewehr gesehen, aber der Zeuge Jürgen Kallmeyer und das Opfer Horst Bodach müssen damit gerechnet haben, dass der Täter

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