Der blaue Mond
sein würde, aber nie hätte ich gedacht, dass es so enden würde.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich unter Anklage stehen würde. Obwohl ich es zweifellos verdient habe.
»Du hast nicht mehr viel Zeit.« Sie schaut erst zur Wanduhr und dann zu mir. »Möchtest du noch eine Tasse Tee, ehe du gehst?«
Ich schüttele den Kopf, da ich ihr noch ein paar Dinge sagen und einiges erledigen muss, ehe ich endgültig gehe.
»Und du weißt, was du tun musst?«, frage ich. Sie nickt und führt die Tasse zum Mund. »Ich vertraue dir nämlich, Ava. Wenn es nicht so funktioniert, wie ich es mir vorstelle, wenn das Einzige, was zum Ursprung zurückkehrt, ich bin, dann bist du meine einzige Hoffnung.« Ich fixiere sie mit meinem Blick, da sie unbedingt begreifen muss, wie ernst das alles ist. »Du musst dich um Damen kümmern, er ist... Er hat das alles nicht verdient, und ...« Mir bricht die Stimme, während ich die Lippen zusammenpresse und den Blick abwende. Ich weiß, dass ich weitersprechen muss, dass es noch mehr zu sagen gibt, doch ich brauche einen Moment, ehe ich dazu im Stande bin. »Und nimm dich in Acht vor Roman. Er ist gut aussehend und charmant, aber das ist alles nur Fassade. Im Inneren ist er böse - er wollte Damen umbringen, er ist verantwortlich dafür, was aus ihm geworden ist.«
»Zerbrich dir nicht den Kopf.« Sie geht auf mich zu. »Zerbrich dir über gar nichts den Kopf. Ich habe die Sachen aus deinem Kofferraum geholt, das Gegengift steht im Küchenschrank, der Saft fermentiert vor sich hin, und ich gebe am dritten Tag das Kraut dazu, wie du gesagt hast. Nicht dass wir ihn überhaupt brauchen würden, da bestimmt alles genau nach Plan abläuft.«
Ich schaue sie an, sehe die Aufrichtigkeit in ihren Augen und bin erleichtert, dass ich wenigstens alles Weitere ihren tüchtigen Händen überlassen kann.
»Du siehst einfach zu, dass du ins Sommerland kommst, und ich kümmere mich um den Rest«, sagt sie, zieht mich in ihre Arme und drückt mich fest an sich. »Und wer weiß? Vielleicht kommst du ja irgendwann mal zufällig nach Laguna Beach, und wir lernen uns von Neuem kennen?«
Dabei lacht sie, und ich wünschte, ich könnte mit ihr lachen, doch es geht nicht. Das Seltsame am Abschiednehmen ist, dass es nie leichter wird.
Ich mache mich los und nicke, statt etwas zu sagen, da mich jedes weitere Wort restlos aus der Fassung bringen würde. Mühsam stoße ich ein »Danke« hervor und eile zur Tür.
»Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken«, sagt sie, »aber bist du sicher, dass du nicht noch ein letztes Mal zu Damen reinschauen willst?«
Mit der Hand auf dem Türknauf drehe ich mich um und überlege, aber nur ganz kurz, ehe ich tief Luft hole und den Kopf schüttele. Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, das Unvermeidliche hinauszuzögern, und ich habe viel zu viel Angst davor, den Vorwurf auf seiner Miene zu sehen.
»Wir haben uns schon verabschiedet«, sage ich, während ich auf die Veranda hinaustrete und auf mein Auto zugehe. »Außerdem habe ich nicht mehr viel Zeit. Ich muss noch eine letzte Sache erledigen.«
VIERUNDVIERZIG
Ich biege in Romans Straße ein, parke in seiner Einfahrt, stürme zur Haustür und trete sie rücksichtslos ein. Das Holz bricht und splittert, während die Tür aus den Angeln kippt und vor mir aufschwingt. Ich hoffe darauf, ihn unvorbereitet zu erwischen, damit ich auf all seine Chakren einschlagen und ihn ein für alle Mal zur Strecke bringen kann.
Ich gehe vorsichtig hinein und sehe mich hektisch um. Die Wände sind elfenbeinfarben gestrichen, es gibt Keramikvasen mit Seidenblumen, große Poster mit Motiven der üblichen Verdächtigen - van Goghs Sternennacht, Gustav Klimts Der Kuss sowie ein überdimensionaler Druck von Botticellis Geburt der Venus, goldgerahmt und mitten über dem Kamin. All das wirkt so erstaunlich normal, dass ich mich unwillkürlich frage, ob ich im falschen Haus gelandet bin.
Ich habe Schmuddeligkeit erwartet und harte Konturen, eine postapokalyptische Höhle mit schwarzen Ledersofas, Chromtischen, zahllosen Spiegeln und verwirrenden Kunstobjekten - irgendetwas Trendigeres, Hipperes, jedenfalls alles andere als diesen geschrubbten Chintzpalast, von dem man sich gar nicht vorstellen kann, dass Roman darin wohnt.
Ich mache einen Rundgang durchs Haus und checke jedes Zimmer, jeden Wandschrank, ja, ich schaue sogar unters Bett. Als feststeht, dass er nicht zu Hause ist, gehe ich schnurstracks in seine Küche, suche seinen Vorrat an
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