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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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    Sterblichkeitssaft und kippe alles in den Ausguss. Ich weiß, dass es kindisch und sinnlos ist und wahrscheinlich nicht den geringsten Unterschied macht, da in dem Moment, in dem ich zurückkehre, auch alles andere rückgängig gemacht wird. Doch selbst wenn es nicht mehr als eine kleine Unannehmlichkeit bedeutet, wird er zumindest wissen, dass diese Unannehmlichkeit von mir kam.
    Ich durchwühle seine Schubladen und suche nach einem Schmierzettel und einem Stift, da ich mir unbedingt notieren muss, was ich auf keinen Fall vergessen darf. Eine simple Liste von Anweisungen, die nicht zu kompliziert für jemanden sind, der sich wahrscheinlich nicht im Geringsten daran erinnert, was das alles bedeuten soll, aber trotzdem klar und präzise genug, um mich davon abzuhalten, dass ich dieselben schrecklichen Fehler noch einmal mache.
    Ich schreibe:
    1. Kehr nicht wegen dem Sweatshirt um!
    2. Trau Drina nicht über den Weg!
    3. Kehr auf gar keinen Fall wegen dem Sweatshirt um!
    Und dann, nur damit ich ihn nicht ganz vergesse, und in der Hoffnung, dass es irgendeine Art von Erinnerung auslösen könnte, füge ich hinzu:
    4. Damen (in love)
    Nachdem ich die Liste wieder und wieder durchgelesen habe, um sicherzugehen, dass sie vollständig ist, falte ich den Zettel zusammen, stopfe ihn tief in meine Hosentasche und gehe zum Fenster. Der Himmel hat ein tiefes, sonnenloses Blau angenommen, und der Mond ist voll. Ich hole tief Luft und gehe zu dem hässlichen Chintzsofa, denn ich weiß, es ist Zeit.
    Ich schließe die Augen und manifestiere das Portal zu Sommerland, begierig, die schimmernde Herrlichkeit ein letztes Mal zu erleben, ehe ich auf den weichen Grashalmen auf diesem weiten, duftenden Feld lande. Sie helfen mir mit ihrer Schwungkraft, während ich durch die Wiese renne, hüpfe und springe, Räder, Purzelbäume und Salti rückwärts schlage, mit den Fingerspitzen über die herrlichen Blumen mit ihren pulsierenden Blütenblättern und ihrem köstlich süßen Duft streiche und mir den Weg durch die vibrierenden Bäume am bunten Bach bahne. Ich bin entschlossen, alles aufzusaugen, mir alles bis ins kleinste Detail einzuprägen, und wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, dieses wundervolle Gefühl einzufangen und für immer zu bewahren.
    Und dann, weil ich ein bisschen Zeit übrig habe und weil ich ihn ein letztes Mal sehen muss, noch einmal so mit ihm zusammen sein muss wie früher, schließe ich die Augen und manifestiere Damen.
    Ich sehe ihn, wie er das erste Mal auf dem Schulparkplatz vor mir stand. Sein glänzendes dunkles, schulterlanges Haar, das sich sanft um die Wangenknochen schmiegt und die tiefen, dunklen mandelförmigen Augen, die mir schon damals seltsam vertraut waren. Und dann seine Lippen! Diese vollen, verführerischen Lippen mit ihrem perfekten Amorbogen, und dazu der lange, schlanke, muskulöse Körper. Meine Erinnerung ist so stark, so greifbar, dass jede Nuance, jede Pore, präsent und plastisch ist.
    Als ich die Augen aufschlage, verneigt er sich vor mir und reicht mir die Hand zu unserem letzten Tanz. Und so lege ich meine Hand in seine, während er mir den Arm um die Taille schlingt und mich in einer Abfolge schwingender Bogen durch das herrliche Feld führt. Unsere Körper wiegen sich, unsere Füße schweben und drehen sich zu einer Melodie, die nur wir allein hören. Und jedes Mal, wenn er meinem Griff zu entgleiten droht, schließe ich rasch die Augen und erschaffe ihn neu, und wir setzen ohne Stolpern unsere Schritte fort. Wie Graf Fersen und Marie Antoinette, Albert und Victoria, Antonius und Cleopatra, wir sind all die größten Liebenden der Welt, wir sind all die Paare, die wir je waren. Ich vergrabe mein Gesicht in der süßen, warmen Kuhle an seinem Hals und wünsche mir, dass unser Lied nie endet.
    Doch obwohl es im Sommerland keine Zeit gibt, gibt es dort, wohin ich unterwegs bin, sehr wohl eine. Und so streiche ich mit den Fingern über sein Gesicht, präge mir die Weichheit seiner Haut, die Kurve seines Kinns und die Wölbung seiner Lippen ein, während sie sich auf meine pressen und ich mir einrede, dass er es ist - wirklich er!
    Sogar, als er schon längst verblasst und entschwunden ist.
     
    Sowie ich die Wiese verlasse, stoße ich auf Romy und Rayne, die direkt am Feldrand warten. Ich sehe ihnen an, dass sie mich beobachtet haben.
    »Dir geht die Zeit aus«, sagt Rayne und starrt mich mit ihren untertassengroßen Augen an, die mich regelmäßig nervös machen.
    Doch ich

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