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Der blaue Mond

Der blaue Mond

Titel: Der blaue Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyson Noël
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mitten aus dem Himmel auf die Straße fällt. Aber wahrscheinlich ist es das hier auch.
    Ich passiere Karaoke-Bars und Friseursalons und gehe genau denselben Weg, den mir Romy und Rayne gezeigt haben. Wahrscheinlich könnte ich mich auch einfach dorthin wünschen, doch ich bemühe mich immer noch darum, mich hier allmählich besser zurechtzufinden. Nach einem kurzen Gang durch die Gasse und einem scharfen Schwenk auf den Boulevard laufe ich erneut die steile Marmortreppe hinauf und stehe vor der massiven Eingangstür, die vor meinen Augen aufschwingt.
    Ich trete in die große Marmorhalle, die wesentlich bevölkerter ist als letztes Mal. In Gedanken gehe ich meine Fragen noch einmal durch und weiß nicht, ob ich die Akasha-Chronik brauche oder ob ich meine Antworten gleich hier bekommen kann. Ob Fragen wie: Wer genau ist Roman, und was hat er mit Damen gemacht? und: Wie kann ich ihn aufhalten und Damens Lehen retten?, diese Art von speziellem Zugang erfordern.
    Doch dann habe ich das Gefühl, ich muss die Sache vereinfachen und alles in einem einzigen prägnanten Satz zusammenfassen. Also schließe ich die Augen und denke: Was ich eigentlich wissen will, ist: Wie kann ich alles wieder in den vorherigen Zustand zurückversetzen?
    Und sowie ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, öffnet sich vor mir ein Eingang, dessen warmes, einladendes Licht mich hineinzieht. Ich betrete einen völlig weißen Raum von genau dem gleichen Regenbogenweiß wie zuvor, nur dass diesmal anstelle einer weißen Marmorbank ein abgenutzter Ledersessel dasteht.
    Ich gehe darauf zu, lasse mich hinein sinken, klappe die Beinstütze aus und mache es mir bequem. Erst als ich die in die Armlehne geritzten Initialen R.B. und E.B. sehe, wird mir klar, dass ich in einer exakten Replik des Lieblingssessels meines Vaters sitze. Ich schnappe nach Luft, als ich genau die Markierungen erkenne, die Riley, von mir angestiftet, mit ihrem Pfadfindermesser hinein geschnitten hat. Es sind genau die Markierungen, die nicht nur von selbst bewiesen, dass wir es gewesen waren, sondern uns auch eine Woche Hausarrest einbrachten. Jedenfalls so lange, bis meiner auf zehn Tage verlängert wurde, als meine Eltern herausfanden, dass ich Riley dazu gedrängt hatte - was mich für sie zu einer schlimmen Übeltäterin machte, die eindeutig ein höheres Strafmaß verdient hatte.
    Ich fahre mit den Fingern über das genarbte Leder und bohre die Nägel an der Stelle in die Füllung, wo sie bei der Rundung des Rs zu tief geritzt hat. Bei der Erinnerung an diesen Tag muss ich ein Schluchzen unterdrücken. An all diese Tage. Jeden einzelnen dieser wundervollen Tage, die ich einst für selbstverständlich hielt, die mir aber jetzt dermaßen fehlen, dass ich es kaum aushalte.
    Ich würde alles tun, um wieder zurückzukönnen. Alles, wenn ich dafür zurückkehren und alles wieder so vorfinden könnte, wie es war.
    Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, beginnt die ehemals so weite Halle sich zu wandeln und wird von einem fast leeren Raum mit nichts als einem einzelnen Sessel darin zu einer exakten Replik unseres alten Fernsehzimmers in Oregon.
    Es duftet nach den berühmten Brownies meiner Mom, während die Wände von einem schimmernden Perlweiß zu dem weichen Beigeton übergehen, das sie immer als Treibholzbraun bezeichnet hat. Als plötzlich die von meiner Großmutter in drei verschiedenen Blauschattierungen gestrickte Wolldecke über meinen Knien liegt, blicke ich zur Tür, wo Buttercups Leine am Knauf hängt und am Boden Rileys Sneakers neben denen meines Vaters liegen. Ich sehe zu, wie sich ein Stück zum anderen fügt, bis jedes Foto, jedes Buch und jedes Nippesteilchen vor meinen Augen erscheint. Zwangsläufig frage ich mich, ob dies eine Folge meines Wunsches ist, dass alles wieder so wird wie zuvor.
    Eigentlich habe ich damit aber Damen und mich gemeint.
    Oder nicht?
    Ich meine, ist es wirklich möglich, in der Zeit zurückzureisen? Oder ist dieses lebensgroße Abbild, dieses Diorama der Familie Bloom, das Äußerste, was ich je an Annäherung bekommen werde?
    Doch gerade als ich meine Umgebung und die wahre Bedeutung dessen, was ich eigentlich gemeint habe, infrage stelle, geht der Fernseher an, und ein bunter Farbenwirbel rast über den Bildschirm - ein Bildschirm aus Kristall, genau wie der Kristall, in den ich neulich geblickt habe.
    Ich ziehe die Wolldecke enger um mich und stopfe sie mir fest unter die Knie, während die Worte »L'HEURE BLEUE« auf dem Bildschirm

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