Der blaue Mond
und dann sag ihr den Namen, den ich dir genannt habe.«
Ich ziehe die Beine an und versuche, mich kleiner zu machen, unauffälliger, eine Aufgabe, die noch vor zwei Wochen wesentlich einfacher zu bewerkstelligen gewesen wäre, ehe ich mit diesem lächerlichen Wachstumsschub konfrontiert war. Ich ducke mich noch tiefer und ziehe die Decke fest um mich, während Ava das Fenster herunterlässt und Sheila anlächelt. Dabei nennt sie ihr den Namen von Stada Miller, die mich auf Damens Liste der willkommenen Besucher abgelöst hat und die hoffentlich noch nicht oft genug hier war, um für Sheila ein bekanntes Gesicht zu sein.
Sowie das Tor aufgeht und wir auf dem Weg zu Damens Haus sind, werfe ich die Decke beiseite und klettere auf den Beifahrersitz, während Ava sich mit unverhohlenem Neid in der Gegend umsieht, den Kopf schüttelt und »nobel« murmelt.
Ich zucke die Achseln und sehe mich ebenfalls um, nachdem ich früher nie besonders auf die anderen Anwesen geachtet habe. Bisher habe ich das Viertel immer als eine Art Flickenteppich aus unechten toskanischen Bauernhäusern und schicken spanischen Haziendas mit gepflegten Gärten und Tiefgaragen gesehen, die man passieren muss, um zu Damens falschem französischem Schloss zu gelangen.
»Ich habe keine Ahnung, wie er sich das leisten kann, aber es ist wirklich schön«, sagt sie und sieht mich an.
»Er macht Pferdewetten«, murmele ich. Ich konzentriere mich auf die Garagentür, als sie in seine Einfahrt einbiegt, und sauge die winzigsten Details auf, ehe ich die Augen schließe und sie per Willenskraft zum Aufgehen bringen will.
In Gedanken sehe ich, wie sich das Garagentor hebt, und ich öffne die Augen gerade rechtzeitig, um es ruckeln und rattern zu sehen, ehe es mit einem sehr lauten Knall wieder zufällt. Ein unverkennbares Zeichen dafür, dass ich noch viel lernen muss, bis ich die Telekinese meistere - oder auch die Kunst, etwas Schwereres als eine Prada-Handtasche zu bewegen.
»Ähm, ich glaube, wir gehen lieber hintenrum, wie ich es meistens mache«, sage ich, verlegen, weil ich so elendiglich versagt habe.
Doch Ava will nichts davon hören, sondern schnappt sich meine Tasche und geht damit auf die Vordertür zu. Auch als ich hinterherhusche und sie beschwöre, dass es keinen Sinn hat, weil sie verriegelt ist und wir auf keinen Fall auf diesem Weg eindringen können, geht sie einfach weiter und erklärt, dass wir sie dann eben entriegeln müssen.
»Das ist nicht so einfach, wie du denkst«, sage ich. »Glaub mir, ich hab's auch schon probiert, und es hat nicht funktioniert.« Ich mustere die zusätzliche Tür, die ich versehentlich manifestiert habe, als ich letztes Mal hier war und die immer noch an der Wand gegenüber lehnt, also genau da, wo ich sie stehen gelassen habe. Offenbar ist Damen zu beschäftigt damit, einen auf cool zu machen und Stacia nachzulaufen, um sie wegzuschaffen.
Doch sowie ich das denke, würde ich es am liebsten wieder löschen. Von dem Gedanken fühle ich mich traurig und leer, und ich bin verzweifelter, als ich mir eingestehen will.
»Also, diesmal hast du ja mich als Hilfe dabei.« Sie lächelt. »Ich glaube, wir haben bereits bewiesen, wie gut wir zusammenarbeiten können.«
Und so wie sie mich ansieht, mit solcher Vorfreude und solchem Optimismus, bringe ich es einfach nicht übers Herz, den Versuch abzubrechen. Also schließe ich die Augen, während wir uns an den Händen fassen, und ich male mir aus, wie die Tür vor uns aufspringt. Kurz nachdem ich den Riegel habe zurückgleiten hören, geht sie tatsächlich weit auf und lässt uns ein.
»Nach dir.« Ava nickt, ehe sie auf die Uhr sieht und die Brauen zusammenzieht. »Sag mir doch noch mal, wie viel Zeit wir hier haben«, sagt sie.
Ich blicke auf mein Handgelenk und sehe das kristallbesetzte Armband, das mir Damen an dem Tag auf der Pferderennbahn geschenkt hat und bei dessen Anblick mir jedes Mal vor Sehnsucht das Herz anschwillt. Trotzdem weigere ich mich, es abzulegen. Ich meine, ich kann einfach nicht. Es ist mein einziges greifbares Andenken an das, was einst zwischen uns war.
»Hey, alles in Ordnung?«, fragt Ava mit besorgter Miene.
Ich schlucke schwer und nicke. »Wir liegen eigentlich gut in der Zeit. Aber ich muss dich warnen: Damen schwänzt immer mal wieder die Schule und kommt früher nach Hause.«
»Dann legen wir am besten gleich los.« Ava lächelt, huscht in die Diele und sieht sich um. Ihr Blick wandert von dem riesigen Kronleuchter im
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