Der blaue Vogel kehrt zurück
frühen Morgen laut hupend mit seinem alten Pick-up auf. Er fragte mich nie nach dem neuen Wagen, den ich ihm versprochen hatte. Sein Gleichmut war ansteckend, vor allem während der Zeit, die wir gemeinsam verbrachten. Wir machten uns keine Sorgen, uns fehlte es an nichts. Unsere Arbeit war hart und wir bekamen beide Rückenschmerzen, doch es gab ja die Regenzeit, auf die wir uns freuen konnten: monatelang ausschlafen, essen und einen über den Durst trinken.
Dank Nanas Fleiß und ihrer Sparsamkeit konnten wir noch etliche Jahre im Wohlstand leben. Nach Beneditos Tod führte sie mehreren älteren Menschen im Ort den Haushalt. So konnte sie weiterhin Naki, Serafim und Isabella bezahlen. Unsere Hausangestellten waren der Hauptgrund, weswegen Nana und ich in der Dorfgemeinschaft hohes Ansehen genossen.
Nana wusste, dass ich seit jenem einen großen Stein nichts mehr gefunden hatte, und vielleicht erklärte sie sich damit abergläubisch die Unannehmlichkeiten, die ihr das Tragen ihrerschönsten Ohrringe verursachte, doch äußerte sie nichts dergleichen.
Ich dachte in diesen Jahren immer wieder einmal daran, die Sprache auf den Diamanten zu bringen. »Wenn ich gewusst hätte, dass es mein letzter Fund sein sollte«, hätte ich gesagt, »dann hätte ich den Erlös für mich behalten.« Ich sagte mir diesen Satz oft vor, doch ich wusste, dass es nicht stimmte, und riss mich immer wieder rechtzeitig zusammen.
Ab und zu rutschten mir die ersten Worte heraus, doch jedes Mal legte mir Nana den Finger an die Lippen.
»Lass uns glücklich bleiben.«
Nicht ihre Sorgen bedrohten unser Glück, sondern meine gelegentliche Niedergeschlagenheit.
Nana war katholisch, wie alle anderen in meiner Umgebung, und ich sah, wie der Glaube an die wohlwollende Vorsehung ihr das Leben leichter machte. Falls es eine unausweichliche Notwendigkeit gab, hatte es keinen Sinn, sich ihr zu widersetzen, das war mir vollkommen klar, doch für mich war das Leben ein zielloses Chaos, ein unkontrollierbares Durcheinander von Atomen.
Meine liebe Frau betete jeden Abend darum, dass ein Platz an der Seite unseres Vaters im Himmel ihre eigentliche Bestimmung sei, ich hingegen betrachtete mich als Durchreisender in einem gottlosen Universum.
50
Ich muss etwas unterschreiben. Ich weiß nicht, was, weiß nicht, wozu. Ein Versprechen, bald das Feld zu räumen? Natürlich gibt es noch mehr Menschen in Not, und ich liege bloß so da. Dass ich wieder gesund werde, ist ausgeschlossen, doch mein Zustand scheint sich nicht zu verschlechtern, jedenfalls von außen betrachtet. Die Tumore, von denen Dr. Steenstra sprach, geben sich große Mühe, doch auch mit ihrer Hilfe lässt sich nichts übers Knie brechen. Ein bisschen Geduld bitte.
Ich halte den Stift mit Daumen, Mittel- und Ringfinger, doch er rutscht jedes Mal weg, sobald ich ihn aufs Papier setze. Mühsam kritzele ich zwei J hin.
Ich erinnere mich an den Augenblick von Triumph, nachdem ich als kleiner Junge zum ersten Mal alle Buchstaben meines Namens hintereinander geschrieben hatte. Ganze dreizehn Stück, und es gab nur eine kleine Pause zwischen »Jonah« und »Jacobson«. Jetzt bringe ich nur noch die Initialen zu Papier, die auf meiner Boxerhose standen. Nicht mehr lange, und ich muss selbst zwischen diesen zwei Buchstaben eine Pause einlegen. Dann reicht meine Puste nur noch für einen einzigen – einen Strich, einen Ausrutscher –, und eines Tages werde ich schließlich sagen müssen, wer ich bin, falls ich es bis dahin überhaupt noch weiß.
Die Schwester räumt das Blatt Papier weg. Wir machen unsbeide nicht die Mühe, darüber zu sprechen, was ich gerade unterschrieben habe.
Während sie mein Bettzeug glatt streicht, erzählt sie mir von ihrem freien Tag gestern. Ich weiß nicht, ob sie da weitererzählt, wo sie beim letzten Mal aufgehört hat, oder ob sie einfach nur so etwas erzählt. Bestimmte Elemente – Enkel, Spielplatz, Rückenschmerzen, allein ist man einsam – kommen mir bekannt vor, aber diese Geschichte könnte mir jede Frau ihres Alters erzählen.
»Lebt Ihr Mann denn nicht mehr?«, frage ich.
»Aber Meneer Jacobson! Das fragen Sie mich jeden Tag!«
Leise, freundlich fügt sie hinzu, dass sie seit zwei Jahren Witwe sei. Ich verpasse mir selbst eine Ohrfeige, als wollte ich mich für meine Vergesslichkeit bestrafen. Sie verzeiht mir, weil ich ihr, wie sie sagt, in meinen klaren Momenten so schöne Ratschläge gegeben hätte. Ich halte mein Lächeln fest, bis sie aus dem
Weitere Kostenlose Bücher