Der blaue Vogel kehrt zurück
sich, weil sie die einzig Richtige für mich war.
Sie ist einfach umgefallen. Auf der Veranda unseres Hauses in Milho Verde.
Mitten im Satz.
Ich drehte meinen Liebling auf die Seite, wie ich es immer getan hatte, wenn sie sich schlafend stellte und darauf wartete, dass ich mich an sie schmiegte und sie in ihrer gespielten Unschuld nahm. Aber diesmal konnte sie nicht mehr so tun, als würde sie schlafen. Nie mehr würde ich Nana aufwecken. Auf ihrem Gesicht war Blut, sie hatte sich die Nase gebrochen. Das machte mich wütend. Auch das noch. Als ob ein Herzinfarkt nicht schon genug war.
Jedes Detail prägte sich mir ein – die Falten ihres Rocks, wie dunkel und dünn ihr Blut war, der Boden, auf dem sie lag, die losen Dielenbretter und die abgetretenen, die Wildnis, die einmal ein schöner Garten gewesen war – doch der Anfang des Satzes, den sie nicht mehr beendete, ist mir völlig entfallen.
Wenn ich an sie dachte, kreisten alle meine Gedanken schließlich nur noch um diese eine Frage: Was hatte Nana an jenem Morgen im Frühling des Jahres 1991 gesagt? Wahrscheinlich war es einer dieser belanglosen Sätze gewesen, die zu unserem selbstverständlichen Zusammenleben gehörten. Irgendetwas über das Wetter oder über eine Mahlzeit. Etwas, was schön oder angenehm war. Vielleicht ein paar Worte über das Glück. Wie gut wir es miteinander hatten. Sie konnte so ansteckend glücklich sein.
Eines Tages beschloss ich, dass es um Limetten gegangen sein musste, einfach nur, weil ich Unfertiges nicht ausstehen kann. So musste es gewesen sein.
»Azulão, Liebling, wenn du zum Markt gehst« – Nana fällt, beginnt zu sterben –, »dann bring auch ein paar von diesen saftigen Limetten mit« – tot.
Zum Markt von Diamantina, eine Fahrt im alten Chevrolet.Gurken, Tomaten, Mangos, vielleicht ein paar Kaschuäpfel und dazu noch diese Limetten, mit denen sie, wie ich wusste, einen Baiserkuchen für mich backen würde. Irgend so etwas. Das hätte doch schon gereicht. Das wäre besser gewesen, als sie hinten ins Auto legen zu müssen, ihr Blut tropfen zu hören und nach Serro zu fahren, wo doutor Augusto de Farias sagen würde, dass es zu spät sei, dass das Leben von Nana Jacobson-Da Silva nach siebzig schönen Jahren zu Ende gegangen sei. »Herzliches Beileid, Azulão, mein guter Freund, alter Gringo.«
Immerhin durfte ich ihm unsere Geschichte noch einmal erzählen. An diesem Tag stammelnd und stotternd, während Augusto die Sterbeurkunde ausstellte, und ein weiteres Mal im Lauf desselben Monats, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte und wir beide durch seinen Garten schlenderten. Er hatte die Geschichte von Nana und Azulão schon tausend Mal gehört, aber alte Männer verzeihen einander viel, und sei es nur, weil sie selbst gern immer wieder von der eigenen Vergangenheit erzählen. Deshalb schwieg Augusto liebenswürdig, als ich wieder ganz von vorn begann, als ob wir uns zum ersten Mal begegnet wären.
Nana, sagte ich, habe mich für ein außerirdisches Wesen gehalten, eine Art Monster. Nach über fünfhundert Kilometern war ich mit meiner Indian fast verwachsen. Aus Salvador war ich mit einem einzigen Koffer im Beiwagen aufgebrochen, hatte unterwegs jedoch lauter Krempel aufgeladen, mit dem ich später mein Haus füllen wollte. Sie wohnte kurz vor Tapirama.
»Wusstest du das, Augusto? Dass ich sie dort zum ersten Mal gesehen habe?«
»Nein«, log mein Freund, »das hast du mir noch nie erzählt.«
Ganz unvermittelt war sie aus der Landschaft aufgetaucht. Ich glaube nicht, dass ich den wunderbaren inneren Zusammenhangje zuvor so klar erkannt hatte: Alles war eins und Nana aus denselben Elementen beschaffen wie die Pflanzen des Feldes, aus dem sie gerade kam.
»Ja, ja«, sagte Augusto nachsichtig. Bei früheren Gelegenheiten hatte er schon einmal verlauten lassen, ich triebe ihn den Wahnsinn. »Es würde mich nicht wundern, wenn du aus Espírito Santo kämest, Azulão, mit deinen salbungsvollen Reden, und nicht aus deinem platten Land da drüben auf der anderen Seite des Ozeans.« Diesmal allerdings durfte ich meine zerknitterten Erinnerungen ungehindert weiter glatt streichen.
Ich erzählte ihm, dass ich sofort aufs Bremspedal gestiegen sei, weil ich nicht an der Frau meines Lebens habe vorbeifahren wollen, doch in Wirklichkeit hatte ich einfach Angst, diese Verrückte würde mir vors Motorrad laufen.
»Eine schöne Bäuerin«, sagte Augusto lachend.
»Weil sie aus dem Feld kam. Wie dumm von mir. Du
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