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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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den gesammelten Beschwerden und Narben des Verfalls und der Verletzungen vorangegangener Generationen.
    Dieses Problem ist nicht unbedingt unüberwindbar. Niemand wird leugnen, daß einige erworbene Merkmale Verbesserungen sind, und theoretisch wäre es denkbar, daß der Vererbungsmechanismus auf irgendeine Weise die Verbesserungen von den Schädigungen unterscheiden kann. Wenn wir nun aber darüber nachdenken, wie diese Unterscheidung funktionieren könnte, stellt sich uns die Frage, warum erworbene Merkmale manchmal Verbesserungen sind. Warum etwa werden benutzte Hautflächen, wie die Sohlen eines Barfußläufers, dicker und härter? Naiv betrachtet wäre es doch wahrscheinlicher, daß die Haut dünner würde: Bei den meisten Maschinen werden Teile, die der Abnutzung ausgesetzt sind, dünner, aus dem einfachen Grund, weil die Abnutzung Partikel entfernt, statt welche hinzuzufügen. Der Darwinismus hat natürlich eine Antwort parat. Der Abnutzung ausgesetzte Haut wird dicker, weil die natürliche Auslese in der Vergangenheit jene Vorfahren begünstigt hat, deren Haut zufällig so vorteilhaft auf Abnutzung reagierte. In ähnlicher Weise förderte die natürliche Auslese jene Angehörigen der Vorfahren, die zufällig durch Braunwerden auf Sonnenlicht reagierten. Der Darwinist behauptet, der einzige Grund für tatsächliche Verbesserungen einer Minderheit erworbener Merkmale sei, daß die vorangegangene Darwinsche Auslese dafür gesorgt hat. Mit anderen Worten, die lamarckistische Theorie kann die adaptive Verbesserung in der Evolution nur erklären, wenn sie sozusagen auf dem Trittbrett der Darwinschen Theorie reist. Vorausgesetzt, die Darwinsche Selektion steht im Hintergrund bereit, um sicherzustellen, daß einige erworbene Merkmale vorteilhaft sind, und um einen Mechanismus für die Trennung von vorteilhaften und unvorteilhaften Erwerbungen zu liefern, könnte die Vererbung erworbener Merkmale zu einer evolutionären Verbesserung führen. Aber die Verbesserung ist nun einmal ausschließlich der Darwinschen Untermauerung zuzuschreiben. Wir landen wieder beim Darwinismus, um den adaptiven Aspekt der Evolution zu erklären.
    Das gleiche gilt für eine erheblich wichtigere Klasse erworbener Verbesserungen, nämlich für jene, die wir unter dem Begriff Lernen zusammenfassen. Im Verlauf seines Lebens wird ein Tier geschickter im Erwerb seines Lebensunterhalts. Das Tier lernt, was für es gut ist und was nicht. Sein Gehirn speichert eine große Sammlung von Erinnerungen über seine Welt und darüber, welche Handlungen im allgemeinen zu erwünschten Resultaten führen und welche zu unerwünschten. Ein Großteil des Verhaltens eines Tieres gehört daher unter die Rubrik erworbener Merkmale, und ein großer Teil der Erwerbungen dieses Typs - »Lernen« - verdient tatsächlich die Bezeichnung Verbesserung. Wenn Eltern auf irgendeine Weise das Wissen der Erfahrung einer Lebenszeit in ihre Gene einschreiben könnten, so würden ihre Nachkommen mit einer eingebauten und sofort nutzbaren stellvertretend gemachten Erfahrung geboren; jene Nachkommen wären am Beginn ihres Lebens einen Schritt weiter. Der evolutionäre Fortschritt könnte sich sogar beschleunigen, da in den Genen dieser Nachkommen erlernte Fähigkeiten und Weisheit automatisch eingebaut wären.
    Aber das alles setzt voraus, daß die Veränderungen im Verhalten, die wir Lernen nennen, wirklich Verbesserungen sind. Warum sollten sie notwendigerweise Verbesserungen sein? Tiere lernen in der Tat zu tun, was für sie gut ist, und nicht das, was schlecht für sie ist; aber warum? Tiere neigen dazu, Handlungen zu vermeiden, die in der Vergangenheit zu Schmerz geführt haben, aber Schmerz ist keine Substanz. Schmerz ist einfach nur das, was das Gehirn als Schmerz behandelt. Es ist ein Glück, daß Geschehnisse, die als schmerzhaft empfunden werden, etwa ein heftiges Durchstechen der Körperoberfläche, zufällig auch die sind, die gewöhnlich das Überleben des Tieres gefährden. Aber wir könnten uns leicht eine Tierrasse vorstellen, der Verletzungen und andere Geschehnisse, die ihr Überleben gefährden, Vergnügen bereiten; eine Tierrasse, deren Gehirn so konstruiert ist, daß ihr Verletzungen gefielen, und die Anreize, die Gutes für ihr Überleben verheißen, etwa den Geschmack von kräftiger Nahrung, als schmerzhaft empfindet. Warum wir de facto keine solchen masochistischen Tiere auf der Welt sehen, hat den darwinistischen Grund, daß masochistische Vorfahren

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