Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
auf und ab, so kann man sehen, daß die Kieselsteine nicht in zufälliger Anordnung herumliegen. Die kleineren Steinchen findet man in der Regel in anderen Zonen oder Streifen längs des Strandes als die größeren. Die Kieselsteine sind aussortiert, geordnet, ausgewählt worden. Ein in Küstennähe wohnender Stamm wundert sich vielleicht über diesen Beweis von Auswahl oder Anordnung in der Welt und erfindet einen Mythos zu seiner Erklärung; er schreibt diese Ordnung vielleicht einem Großen Geist im Himmel zu, der Sauberkeit liebt und einen Sinn für Ordnung hat. Wir belächeln eine solche abergläubische Vorstellung vielleicht von oben herab und erläutern, daß die Ordnung tatsächlich durch blinde physikalische Kräfte erfolgte, in diesem Fall durch die Einwirkung der Wellen. Wellen haben keinen Zweck und keine Absicht, keinen ordnungsliebenden Geist, überhaupt keinen Geist. Sie werfen die Kieselsteine lediglich kräftig herum, und große und kleine Kieselsteine reagieren verschieden auf diese Behandlung, und so landen sie schließlich in unterschiedlicher Höhe am Strand: Aus Unordnung ist ein kleines bißchen Ordnung entstanden, aber kein Geist hat sie geplant.
Wellen und Kieselsteine zusammen sind ein einfaches Beispiel für ein System, das automatisch Nichtzufall erzeugt. Die Welt ist voll von solchen Systemen. Das einfachste Beispiel, das mir in den Sinn kommt, ist ein Loch. Nur Objekte, die kleiner als das Loch sind, passen hindurch. Das heißt, wenn ich über dem Loch aufs Geratewohl Objekte ansammle und irgendeine Kraft diese willkürlich herumschüttelt und -stößt, so werden die Gegenstände über und unter dem Loch nach einer Weile nichtwillkürlich sortiert sein. Der Raum unter dem Loch wird Gegenstände enthalten, die kleiner als das Loch sind, und in dem Raum über dem Loch werden wir die Stücke finden, die größer als das Loch sind. Wir Menschen haben dieses einfache Prinzip, Nichtwillkür zu erzeugen, natürlich schon längst ausgenutzt - in Form der nützlichen Vorrichtung, die uns als Sieb bekannt ist.
Das Sonnensystem ist eine stabile Anordnung von Planeten, Kometen und Trümmern, die sich in einer Umlaufbahn um die Sonne bewegen, und es ist vermutlich nur eins von vielen solcher Umlaufsysteme im Universum. Je näher seiner Sonne sich ein Satellit befindet, um so schneller muß er sich bewegen, um der Schwerkraft der Sonne zu widerstehen und in einer stabilen Umlaufbahn zu verbleiben. Für jede gegebene Umlaufbahn gibt es nur eine Geschwindigkeit, mit der sich ein Satellit fortbewegen und in der Umlaufbahn bleiben kann. Bei jeder anderen Geschwindigkeit würde er entweder tief in den Weltraum hinausgeschleudert oder auf die Sonne herabstürzen oder in eine andere Umlaufbahn gezogen werden. Sehen wir uns nun die Planeten unseres Sonnensystems an, so erkennen wir, daß sich tatsächlich jeder von ihnen mit genau der richtigen Geschwindigkeit bewegt, die nötig ist, um seine stabile Umlaufbahn um die Sonne zu sichern. Das gepriesene Wunder eines göttlichen Planes? Keineswegs, lediglich wieder ein anderes natürliches »Sieb«. Liegt es doch auf der Hand, daß alle
Planeten, die wir um die Sonne kreisen sehen, es mit genau der richtigen Geschwindigkeit tun müssen, um in ihren Bahnen zu bleiben - andernfalls würden wir sie nicht sehen, denn sie wären nicht da! Aber es ist ebenso offensichtlich, daß darin kein Beweis für einen bewußten Plan liegt. Es ist einfach eine weitere Art von Sieb.
Siebe mit diesem Grad an Einfachheit sind allein nicht genug, um die enorme Menge nichtwillkürlicher Ordnung zu erklären, die wir an lebenden Dingen erkennen. Nicht im entferntesten genug. Erinnern wir uns an den Vergleich mit dem Kombinationsschloß. Die Nichtwillkürlichkeit, die sich durch einfaches Sieben erzielen läßt, entspricht grob gesehen dem Öffnen eines Kombinationsschlosses mit nicht mehr als einem einzigen Versuch: Nur durch reines Glück kann es leicht geöffnet werden. Andererseits ist Nichtzufälligkeit, wie wir sie an Lebewesen beobachten, einem gigantischen Kombinationsschloß mit einer fast unübersehbaren Zahl von Einstellungen vergleichbar. Wollte man ein biologisches Molekül wie das Hämoglobin, den Farbstoff der roten Blutkörperchen, durch einfaches Sieben erzeugen, so müßte man alle Aminosäurebausteine des Hämoglobins willkürlich zusammenschütteln und hoffen, daß sich das Hämoglobinmolekül nur durch Glück rekonstruiert. Wieviel Glück nötig wäre, um so
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