Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
liegt uns sogar noch ferner als das von Fledermäusen und Delphinen. Wir haben ja zumindest eine subjektive Vorstellung davon, was ein Echo ist, aber wir haben fast überhaupt keine subjektive Vorstellung davon, wie es sein mag, ein elektrisches Feld wahrzunehmen. Bis vor ein paar hundert Jahren wußten wir ja nicht einmal, daß Elektrizität existiert. Wir können uns als subjektive menschliche Wesen nicht in elektrische Fische einfühlen, aber als Physiker können wir sie verstehen.
In jedem Fischrestaurant können wir uns leicht davon überzeugen, daß in jedem Fisch die Muskeln entlang jeder Seite in einer Reihe von Segmenten angeordnet sind, eine Batterie von Muskeleinheiten. Bei der Mehrheit der Fische ziehen sie sich sukzessive zusammen, um den Körper in sich windenden, ihn vorwärtstreibenden Wellen zu bewegen. Bei elektrischen Fischen, sowohl den stark als auch den schwach elektrischen, sind sie zu einer echten elektrischen Batterie geworden. Jedes Segment (»Zelle«) der Batterie erzeugt Spannung. Diese Spannungen werden über die Länge des Fisches der Reihe nach miteinander verbunden, so daß - bei einem stark elektrischen Fisch wie dem elektrischen Aal - die ganze Batterie nicht weniger als ein Ampere bei 650 Volt erzeugt. Ein elektrischer Aal ist mächtig genug, um einen Menschen außer Gefecht zu setzen. Schwach elektrische Fische brauchen für ihre Zwecke keine hohen Spannungen oder Stromstärken, denn sie benutzen sie ausschließlich, um Informationen zu sammeln.
Das Prinzip der Elektroortung, wie man es genannt hat, ist auf der Ebene der Physik recht gut verstanden, obgleich man natürlich nicht weiß, wie es sich anfühlt, ein elektrischer Fisch zu sein. Der folgende Bericht gilt gleichermaßen für afrikanische wie auch südamerikanische Fische, so weit geht die Konvergenz. Von der vorderen Hälfte des Fisches fließt Strom in das Wasser hinaus, und zwar in Linien, die sich zurückkrümmen und an das Schwanzende des Fisches zurückkehren. Sie bilden nicht wirklich getrennte »Linien«, sondern ein kontinuierliches »Feld«, eine unsichtbare Hülle von Elektrizität, die den Körper des Fisches umgibt. Um uns das vorzustellen, ist es jedoch am leichtesten, sich eine Serie gekrümmter Linien zu denken, die den Fisch durch eine Reihe von Bullaugen entlang der vorderen Hälfte des Körpers verlassen, sich im Wasser krümmen und am Schwanzende des Fisches wieder in ihn hineintauchen. Der Fisch besitzt so etwas wie winzige Voltmesser, um die Spannung an jedem »Bullauge« zu überwachen. Wenn der Fisch ohne jegliche Hindernisse in seiner Umgebung im offenen Wasser steht, bilden die Feldlinien sanfte Kurven. All die winzigen Voltmesser an jedem Bullauge registrieren die Spannungen an ihrem jeweiligen Bullauge als »normal«. Wenn jedoch in der Nähe ein Hindernis auftaucht, nehmen wir einmal an, ein Felsen oder etwas Eßbares, so werden die zufällig auf das Hindernis treffenden Stromlinien verändert. Dadurch wird die Spannung in jedem Bullauge, dessen Strömungslinie betroffen ist, verändert, was das entsprechende Voltmeter registriert. Genauso würde in der Theorie ein Computer durch den Vergleich der Spannungsmuster, die von den Voltmetern an allen Bullaugen gemessen werden, das Muster von Hindernissen um den Fisch herum ausrechnen. Und genau das ist es anscheinend, was das Fischgehirn tut. Noch einmal: Das muß nicht bedeuten, daß die Fische kluge Mathematiker sind. Aber sie haben einen Apparat, der die notwendigen Gleichungen löst, geradeso wie unser Gehirn jedes Mal, wenn wir einen Ball auffangen, unbewußt Gleichungen löst.
Es ist sehr wichtig, daß der Fischkörper selbst absolut unbeweglich bleibt. Der Computer in seinem Kopf würde nicht mit den Extraverzerrungen fertig, die in die Gleichung eingeführt würden, wenn der Körper des Fisches sich biegen und wenden würde wie bei einem gewöhnlichen Fisch. Die elektrischen Fische haben mindestens zweimal unabhängig voneinander diese geniale Navigationsmethode entdeckt, aber sie mußten dafür einen Preis bezahlen: Sie mußten die normale, höchst leistungsfähige Schwimmweise der Fische aufgeben, bei der der ganze Körper sich in Schlangenbewegungen krümmt. Sie haben das Problem gelöst, indem sie den Körper steif wie einen Ladestock halten, aber sie besitzen eine einzige über die ganze Länge des Körpers reichende Flosse. Nun wird die lange Flosse in Wellen bewegt, und nicht der ganze Körper. Der Fisch bewegt sich eher langsam im
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