Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
ausbrechen, so könnten sie von einer Parasitenart mit einem siebenjährigen Lebenszyklus ausgebeutet werden. Das ist eine verrückte Idee, aber nicht verrückter als das Phänomen selbst. Wir wissen nicht wirklich, was an den 13 und 17 Jahren Besonderes daran ist. Für unsere Zwecke hier ist wichtig, daß etwas Besonderes an diesen Zahlen sein muß, da sich drei verschiedene Zikadenarten unabhängig voneinander konvergent dorthin entwickelt haben.
Beispiele von Konvergenz großen Ausmaßes treten auf, wenn zwei oder mehr Kontinente eine Zeit lang voneinander isoliert sind und nicht miteinander verwandte Tiere auf jedem der Kontinente eine parallele Gruppe von »Lebensformtypen« ausbilden. Mit »Lebensformtyp« meine ich hier die Art und Weise, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, etwa Graben nach Würmern, Schürfen nach Ameisen, große Pflanzenfresser jagen, Blätter von den Bäumen abfressen. Ein gutes Beispiel ist die konvergente Evolution einer ganzen Skala von Säugetierlebensweisen in den getrennten Kontinenten Südamerika, Australien und der Alten Welt.
Diese Kontinente waren nicht immer getrennt. Da wir unser Leben in Jahrzehnten zählen und selbst unsere Zivilisationen und Dynastien nur in Jahrhunderten gemessen werden, sind wir daran gewöhnt, uns die Landkarte der Erde, die Umrisse der Kontinente als unveränderlich zu denken. Die Theorie, daß Kontinente driften, wurde vor langer Zeit von dem deutschen Geophysiker Alfred Wegener vorgeschlagen, aber bis noch weit nach dem Zweiten Weltkrieg lachten die meisten Leute ihn aus. Daß Südamerika und Afrika in etwa wie Teile eines Puzzles aussehen, hielt man nur für eine amüsante Koinzidenz. Nach einer der schnellsten und vollständigsten Umwälzungen, die aus der Naturwissenschaft bekannt sind, ist die zuvor umstrittene Theorie der »Kontinentaldrift« nun unter dem Namen Plattentektonik allgemein akzeptiert. Das Beweismaterial dafür, daß die Erdteile sich bewegt haben, daß zum Beispiel Südamerika offensichtlich aus Afrika herausgebrochen ist, ist inzwischen buchstäblich überwältigend; aber ich schreibe hier kein Buch über Geologie und werde das nicht in allen Einzelheiten erklären. Der wichtige Punkt daran für uns ist, daß das Zeitmaß, nach dem die Kontinente gedriftet sind, genauso langsam ist wie das, in dem Tierstammbäume sich entwickeln, und wir können die Kontinentaldrift nicht außer acht lassen, wenn wir die Muster tierischer Evolution auf diesen Kontinenten verstehen wollen.
Bis vor etwa 100 Millionen Jahren war Südamerika im Osten mit Afrika und im Süden mit der Antarktis verbunden. Die Arktis hing mit Australien zusammen und Indien über Madagaskar mit Afrika. Es gab de facto einen riesigen südlichen Kontinent, den wir heute Gondwana-Land nennen und der aus einer zusammenhängenden Landmasse bestand, die dem heutigen Südamerika, Afrika, Madagaskar, Indien, Australien sowie der Antarktis entspricht. Es gab auch einen einzigen großen nördlichen Kontinent namens Laurasia, bestehend aus dem heutigen Nordamerika, Grönland, Europa und Asien (außer Indien). Vor ungefähr 100 Millionen Jahren brachen die Landmassen auseinander, und seitdem haben sich die Kontinente langsam auf ihre heutige Position hin bewegt (und werden natürlich in Zukunft weiterwandern). Afrika verband sich über Arabien mit Asien und wurde zu einem Teil des riesigen Kontinents, den wir heute als Alte Welt bezeichnen. Nordamerika trieb von Europa fort. Die Antarktis trieb nach Süden in ihre gegenwärtige Eislage. Indien löste sich von Afrika los und trieb über das dem heutigen Indischen Ozean entsprechende Meer hinüber, lief endlich auf Südasien auf und warf den Himalaja auf. Australien trieb von der Antarktis fort in die offene See hinaus und wurde zu einem meilenweit von allen anderen entfernten Inselkontinent.
Das Auseinanderbrechen des großen südlichen Kontinents Gondwana begann während des Zeitalters der Dinosaurier. Als Südamerika und Australien herausbrachen und ihre langwährende Isolation vom Rest der Welt antraten, nahm jedes von ihnen eine eigene Fracht Dinosaurier mit wie auch weniger berühmte Tiere, die zu den Vorfahren der modernen Säugetiere werden sollten. Als viel später und aus unbekannten Gründen, die daher Objekt einer Menge von Spekulationen sind, die Dinosaurier (mit Ausnahme der Gruppe von Dinosauriern, die wir heute Vögel nennen) ausstarben, starben sie auf der ganzen Welt aus. Dadurch entstand ein Vakuum in den
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