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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Wasser voran, aber er bewegt sich, und offensichtlich hat es sich gelohnt, die schnelle Fortbewegung zu opfern: Der Gewinn an Navigation scheint den Verlust an Schwimmgeschwindigkeit auszugleichen. Es ist faszinierend, daß die südamerikanischen elektrischen Fische fast ganz genau dieselbe Lösung gefunden haben wie die afrikanischen, aber nicht völlig dieselbe. Der Unterschied ist aufschlußreich. Beide Gruppen haben einen langen Flossensaum entwickelt, der sich über die ganze Länge des Körpers erstreckt, aber bei den afrikanischen Fischen ist er auf dem Rücken, während er bei den südamerikanischen am Bauch entlang verläuft. Derartige Unterschiede im Detail sind, wie wir gesehen haben, sehr bezeichnend für konvergente Evolution. Sie sind natürlich auch charakteristisch für konvergente Entwürfe menschlicher Ingenieure. Obgleich die Mehrheit der schwach elektrischen Fische, sowohl in der Gruppe der afrikanischen wie auch in der der südamerikanischen Fische, ihre elektrischen Entladungen in unterscheidbaren Impulsen abgeben und als »Impuls«spezies bezeichnet werden, gibt es in beiden Gruppen eine Minderheit von Arten, die es auf andere Weise tun; sie heißen »Wellen«spezies. Ich werde den Unterschied nicht weiter erörtern. Interessant für dieses Kapitel ist, daß die Aufteilung nach Impuls/Welle in den nicht miteinander verwandten Gruppen der Neuen und der Alten Welt zweimal unabhängig voneinander erfolgt ist.
    Eins der sonderbarsten Beispiele konvergenter Evolution, das ich kenne, betrifft die sogenannten periodischen Zikaden. Aber bevor ich dazu komme, muß ich zunächst einige Hintergrundinformationen liefern. Bei vielen Insekten besteht eine recht strenge Trennung zwischen einem Larvenstadium der Nahrungsaufnahme, in dem sie den größten Teil ihres Lebens verbringen, und einem relativ kurzen erwachsenen Fortpflanzungsstadium. Eintagsfliegen z. B. verbringen den Großteil ihres Lebens als Larven unter Wasser und tauchen dann einen einzigen Tag lang an der Luft auf, einen einzigen Tag, in dem sich ihr gesamtes Erwachsenendasein erschöpft. Wir können uns die erwachsene Eintagsfliege als etwas vorstellen, was dem flüchtigen geflügelten Samen einer Pflanze wie einer Platane entspricht und die Larve als Analogon der Hauptpflanze; aber Platanen erzeugen viele Samen und verstreuen sie viele aufeinanderfolgende Jahre lang, während eine Eintagsfliegenlarve, genau am Ende ihres eigenen Lebens, nur eine einzige ausgewachsene Eintagsfliege erzeugt. Wie dem auch sei, die periodischen Zikaden haben den Eintagsfliegentrend ins Extrem getrieben. Die erwachsenen Tiere leben ein paar Wochen lang, das »Jugend«stadium aber (strenggenommen sind es eher »Nymphen« als Larven) dauert (bei einigen Arten) 13 Jahre oder bei anderen 17. Die erwachsenen Tiere tauchen fast zu genau demselben Zeitpunkt auf, nachdem sie 13 (oder 17) Jahre unter der Erde verbracht haben. Zikadenplagen, die in einer gegebenen Gegend genau in Abständen von 13 (oder 17) Jahren auftreten, sind spektakuläre Ausbrüche, die ihnen im volkstümlichen Amerikanisch fälschlich den Namen »Heuschrecken« eingebracht haben. Die Varietäten sind als 13-Jahr- Zikaden bzw. 17-Jahr-Zikaden bekannt.
    Nun kommt aber die wirklich bemerkenswerte Tatsache: Es stellt sich heraus, daß es nicht nur jeweils eine 13-Jahr- und eine 17-Jahr-Zikadenart gibt. Vielmehr gibt es drei Arten, und jede dieser drei besitzt sowohl eine 17-Jahr- als auch eine 13-Jahr-Varietät oder -Rasse. Das heißt, die Unterteilung in eine 17-Jahr- und in eine 13-Jahr-Rasse ist unabhängig voneinander nicht weniger als dreimal erreicht worden. Es sieht so aus, als ob die dazwischenliegenden Perioden von 14, 15 und 16 Jahren in konvergenter Entwicklung nicht weniger als dreimal verworfen worden sind. Warum? Wir wissen es nicht. Der einzige Vorschlag, den jemand vorgebracht hat, bedient sich der Besonderheit, daß 13 und 17 im Unterschied zu 14, 15 und 16, Primzahlen sind. Eine Primzahl ist eine Zahl, die nicht restlos durch irgendeine andere Zahl teilbar ist. Der Gedanke ist der, daß eine Tierrasse, die regelmäßig in Plagen auftritt, einen Gewinn davon hat, daß sie ihre Feinde, Räuber und Parasiten, abwechselnd »überschwemmt« oder aushungert. Wenn diese Plagen sorgfältig zeitlich geplant sind, um im Abstand einer Primzahl von Jahren aufzutreten, so wird es für die Feinde viel schwerer, ihre eigenen Lebenszyklen zu synchronisieren. Würden die Zikaden z. B. alle 14 Jahre

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