Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
vibrierend, pochend vor Energie, pulsierend, »irritabel« (eine schulmeisterliche Ausdrucksweise für »reaktionsfähig«). Wenn man einen lebendigen Körper nähme und ihn in immer kleinere Stücke zerschnitte, so käme man schließlich zu Teilchen reinen Protoplasmas. Zu einer bestimmten Zeit im vorigen Jahrhundert dachte ein lebendes Gegenstück zu Arthur Conan Doyles Professor Challenger, daß der »Globigerinenschlamm« auf dem Meeresboden reines Protoplasma sei. Als ich in die Schule ging, schrieben ältere Schulbuchautoren immer noch über Protoplasma, obwohl sie es damals schon hätten besser wissen können. Heutzutage hört oder sieht man das Wort nirgends mehr. Es ist ebenso tot wie Phlogiston und Weltäther. Es ist nichts Besonderes an den Substanzen, aus denen lebende Dinge gemacht sind. Lebende Dinge sind Ansammlungen von Molekülen, wie alles andere auch.
    Besonders ist, daß diese Moleküle sehr viel komplizierter zusammengesetzt sind als die von nichtlebenden Dingen und daß dieses Zusammensetzen nach Programmen erfolgt, nach einem Satz von Instruktionen dafür, wie die Entwicklung verlaufen soll, Instruktionen, die die Organismen in ihrem Inneren mit sich herumtragen. Vielleicht vibrieren sie wirklich und pochen und pulsieren vor »Irritabilität« und glühen mit »lebendiger« Wärme, aber alle diese Merkmale sind Nebenerscheinungen. Was sich im Kern jedes lebenden Dings befindet, ist nicht ein Feuer, nicht warmer Atem, nicht ein »Funken Leben«. Es sind Informationen, Wörter, Anweisungen. Wenn wir eine Metapher wollen, dann dürfen wir nicht an Feuer und Funken und Atem denken. Denken wir statt dessen an eine Milliarde besondere, digitale Zeichen, die in Kristalltäfelchen eingegraben sind. Wenn wir das Leben verstehen wollen, so dürfen wir nicht an vibrierende, pochende Gele und Schlamme denken, sondern an Informationstechniken. Darauf habe ich im vorigen Kapitel angespielt, als ich die Ameisenkönigin als zentrale Datenbank bezeichnete.
    Grundlegende Erfordernis für eine fortgeschrittene Informationstechnik ist ein Speichermedium mit einer großen Zahl von Speicherorten. Jeder Ort muß in der Lage sein, sich in einem von mehreren möglichen Zuständen zu befinden. Das trifft in jedem Fall auf die digitale Informationstechnologie zu, die heutzutage unsere Welt der Computer beherrscht. Es gibt eine alternative Informationstechnologie, die auf analoger Information beruht. Die Information auf einer gewöhnlichen Schallplatte ist analog. Sie ist in einer gewellten Rinne gespeichert. Die Information auf einer modernen Laserplatte (häufig als Compact Disc bezeichnet, obwohl der Name leider nicht informiert) ist digital in einer Reihe winziger Löcher gespeichert, von denen jedes entweder definitiv da ist oder definitiv nicht da ist; es gibt keine Halbheiten. Das ist das unterscheidende Merkmal eines digitalen Systems: Seine wesentlichen Elemente befinden sich entweder definitiv in einem Zustand oder definitiv in einem anderen, ohne Halbheiten, Zwischenstadien oder Kompromisse.
    Die Informationstechnik der Gene ist digital. Das hat Gregor Mendel im vorigen Jahrhundert entdeckt, auch wenn er es nicht so ausgedrückt hätte. Mendel zeigte, daß wir das Erbgut unserer zwei Eltern nicht vermischen. Wir erhalten unser Erbgut in getrennten Partikeln. Soweit jedes dieser Teilchen betroffen ist, erben wir es entweder, oder wir erben es nicht. Wie R. A. Fisher, einer der Gründer und Väter der Theorie, die man heute Neodarwinismus nennt, hervorgehoben hat, haben wir die getrennte Vererbung eigentlich immer direkt vor Augen gehabt, und zwar bei der Geschlechtszugehörigkeit. Wir erben Merkmale von einem männlichen und einem weiblichen Elternteil, aber jeder von uns ist entweder männlichen oder weiblichen Geschlechts, kein Hermaphrodit. Bei jedem neugeborenen Baby ist die Wahrscheinlichkeit ungefähr gleich groß, daß es die männliche oder die weibliche Geschlechtszugehörigkeit erbt, aber jedes Baby erbt nur eine dieser beiden und vereint nicht beide auf sich. Wir wissen heute, daß dasselbe für alle unsere Erbpartikel gilt. Sie vermischen sich nicht, sondern bleiben einzeln und getrennt voneinander, während sie sich auf ihrem Weg durch die Generationen kombinieren und neukombinieren. Selbstverständlich ergibt sich in den Auswirkungen, die die genetischen Einheiten auf die Körper haben, häufig ein kräftiger Anschein der Vermischung. Wenn ein großer oder ein kleiner Mensch oder ein Weißer und

Weitere Kostenlose Bücher