Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
meiner) Universität festgehalten ist, einmal die Wette eines Kollegen annahm: »Täglich bis zum Tode einen halben Penny gegen dein gesamtes Vermögen darauf, daß die Sonne morgen nicht aufgeht«. Um jedoch die vollständige Antwort an Flemming Jenkin im Sinne der Mendelschen Theorie der partikulären Genetik zu entwickeln, mußte man auf R. A. Fisher und seine Kollegen, die Begründer der modernen Populationsgenetik, warten. Das war zu jener Zeit eine Ironie, denn, wie wir in Kapitel 11 sehen werden, verstanden sich Mendels führende Nachfolger im frühen zwanzigsten Jahrhundert als Antidarwinisten. Fisher und seine Kollegen zeigten, daß die Darwinsche Auslese Sinn ergab, und Jenkins Problem war elegant gelöst, wenn das, was sich im Verlauf der Evolution veränderte, die relative Häufigkeit getrennter Erbpartikel oder Gene war, von denen jedes in einem speziellen individuellen Körper entweder vorhanden oder nicht vorhanden war. Den Darwinismus nach Fisher bezeichnet man als Neodarwinismus. Sein digitaler Charakter ist nicht ein beiläufiges Faktum, das zufällig auf die genetische Informationstechnik zutrifft. Die digitale Natur ist wahrscheinlich eine notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Darwinismus.
In der Elektronik haben die getrennten, digitalen Orte lediglich zwei Zustände, die konventionsgemäß als 0 und 1 dargestellt werden, obwohl man sie sich auch als hoch und niedrig, an und aus, rauf und runter vorstellen kann. Es kommt nur darauf an, daß sie voneinander unterschieden sind und daß das Muster ihrer Zustände »abgelesen« werden kann, damit es Einfluß auf etwas ausüben kann. Man benutzt in der Elektronik mehrere physikalische Medien zum Speichern von 1 und 0, darunter Magnetplatten, Magnetband, Lochkarten und Lochstreifen sowie integrierte »Chips«, die Unmengen kleiner Halbleitereinheiten enthalten.
Das hauptsächliche Speichermedium im Innern von Weidensamen, Ameisen und allen anderen lebenden Zellen ist nicht elektronisch, sondern chemisch. Es bedient sich der Tatsache, daß gewisse Sorten von Molekülen »polymerisieren«, d. h. sich in langen Ketten unbestimmter Länge aneinanderhängen können. Es gibt eine Menge verschiedener Sorten von Polymeren. Beispielsweise besteht »Polyäthylen« aus langen Ketten des kleinen Moleküls namens Äthylen - polymerisiertes Äthylen. Stärke und Zellulose sind polymerisierte Zucker. Einige Polymere bestehen statt aus einheitlichen Ketten eines kleinen Moleküls namens Äthylen aus Ketten von zwei oder mehr unterschiedlichen Sorten kleiner Moleküle. Sobald eine Polymerkette so heterogen wird, ist Informationstechnik theoretisch möglich. Wenn es zwei Sorten kleiner Moleküle in einer Kette gibt, kann man sich die beiden als 1 und 0 denken, und man kann sofort jede Menge an Informationen jeder Art speichern, vorausgesetzt, die Kette ist lang genug. Die speziellen, von lebenden Zellen benutzten Polymere heißen Polynukleotide. Es gibt zwei wichtige Familien von Polynukleotiden in lebenden Zellen, sie heißen abgekürzt DNS und RNS. Beide sind Ketten kleinerer Moleküle namens Nukleotide.
Sowohl DNS als auch RNS sind heterogene Ketten mit vier verschiedenen Arten von Nukleotiden. Natürlich ist es hier möglich, Informationen zu speichern. Statt lediglich der zwei Zustände 1 und 0 benutzt die Informationstechnik der lebenden Zellen vier Zustände, die wir konventionell als A, T, C und G bezeichnen können. Im Prinzip besteht nur ein sehr kleiner Unterschied zwischen einer Zwei-Zustände- (binären) Informationstechnik wie der unsrigen und einer Vier-ZuständeInformationstechnik wie der der lebenden Zelle.
Wie ich am Ende von Kapitel 1 gesagt habe, besitzt eine einzelne menschliche Zelle genügend Informationskapazität, um die gesamte Encyclopaedia Britannica mit all ihren 30 Bänden drei- oder viermal zu speichern. Ich kenne die vergleichbare Zahl für einen Weidensamen oder eine Ameise nicht, aber sie wird sich in der gleichen unglaublichen Größenordnung bewegen. In der DNS eines einzigen Liliensamens oder eines einzigen Salamanderspermiums ist genügend Speicherkapazität, um die Encyclopaedia Britannica 60mal zu speichern. Einige Arten der ohne Grund als »primitiv« bezeichneten Amöben haben in ihrer DNS ebenso viel Information wie tausend Exemplare der Encyclopaedia Britannica.
Verblüffenderweise scheint nur ungefähr ein Prozent der genetischen Information in z. B. menschlichen Zellen tatsächlich benutzt zu werden,
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