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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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grob genommen das Äquivalent eines Bandes der Encyclopaedia Britannica. Niemand weiß, warum die restlichen 99 Prozent da sind. In einem früheren Buch habe ich den Gedanken nahegelegt, sie könnten parasitär sein, sozusagen Trittbrettfahrer zu Lasten der Anstrengungen des einen Prozents; eine Theorie, die in jüngerer Zeit von den Molekularbiologen unter der Bezeichnung »egoistische DNS« aufgegriffen worden ist. Ein Bakterium besitzt eine um einen Faktor von etwa 1000 geringere Informationskapazität, und es benutzt sie wahrscheinlich fast völlig: da ist wenig Platz für Parasiten. Seine DNS könnte eine Kopie des Neuen Testaments speichern!
    Die modernen Gentechniker können bereits das Neue Testament oder was auch immer sonst in die DNS eines Bakteriums schreiben. Die »Bedeutung« der Symbole ist in jeder Informationstechnik willkürlich, und es gibt keinen Grund, warum wir irgendwelchen Kombinationen, sagen wir einmal Triplets, aus dem Vier-Buchstaben-Alphabet der DNS nicht Buchstaben unseres eigenen 26-Buchstaben-Alphabets zuordnen sollten (es wäre Platz für alle Groß- und Kleinbuchstaben sowie zwölf Interpunktionszeichen). Leider würde es fünf Menschenjahrhunderte dauern, um das Neue Testament in ein Bakterium einzuschreiben, so daß ich meine Zweifel habe, ob sich irgend jemand die Mühe machen wird. Täte es tatsächlich jemand, so können an einem einzigen Tag zehn Millionen Kopien des Neuen Testaments hergestellt werden - so groß ist die Reproduktionsrate der Bakterien. Der Traum jedes Missionars - wenn die Leute nur das DNS-Alphabet lesen könnten! Aber leider sind die Buchstaben so klein, daß alle zehn Millionen Kopien des Neuen Testaments gleichzeitig auf der Oberfläche eines Stecknadelkopfes tanzen könnten.
    Elektronischer Computer-Speicherraum wird herkömmlicherweise in ROM und RAM eingeteilt. ROM bedeutet »read only memory«. Genauer gesagt: es ist ein Speicher für »schreib einmal, lies viele Male«. Bei der Herstellung wird das Muster von Nullen und Einsen ein für allemal »eingebrannt«. Es bleibt dann während der gesamten Lebenszeit des Speichers unverändert, und die Information kann beliebig oft abgelesen werden. Der andere elektronische Speicher, RAM genannt, kann »zugeschrieben« (man gewöhnt sich schnell an diesen wenig eleganten Computerjargon) ebenso wie gelesen werden. RAM kann alles, was ROM kann, und mehr. Was die Buchstaben RAM tatsächlich bedeuten, ist irreführend, daher werde ich es hier nicht erwähnen. Das Wichtigste an RAM ist, daß man jedes beliebige Muster von Einsen und Nullen in jedes Teil von ihm hineinschreiben kann, in das man will und sooft man will. Der Großteil des Speichers eines Computers ist RAM. Während ich diese Worte tippe, gehen sie direkt in RAM hinein, und das die Dinge steuernde Wortverarbeitungsprogramm ist ebenfalls in RAM, obgleich es theoretisch ROM eingebrannt werden und dann anschließend niemals mehr geändert werden könnte. ROM benutzt man für ein feststehendes Repertoire an Standardprogrammen, die immer wieder verwendet werden und die man nicht ändern kann, selbst wenn man wollte.
    DNS ist ROM. Es ist ein Programm, das Millionen Male abgelesen, aber nur einmal geschrieben werden kann - geschrieben wird es, wenn die DNS zum ersten Mal bei der Geburt der Zelle, in der sie wohnt, zusammengebaut wird. Die Information der DNS in den Zellen jedes Individuums ist »eingebrannt« und wird während der Lebenszeit eines Individuums niemals mehr geändert, mit Ausnahme sehr seltener Unfälle.
    Sie kann jedoch kopiert werden. Sie wird mit jeder Zellteilung verdoppelt. Das Muster von A, T, C und G-Nukleotiden wird getreulich kopiert, in der DNS jeder der Milliarden neuer Zellen, die hergestellt werden, wenn ein Baby wächst. Wird ein neues Individuum gezeugt, so wird ein neues und einzigartiges Datenmuster in sein DNS-ROM »eingebrannt«, und es wird dieses Muster sein Leben lang nicht mehr los. Es wird in allen seinen Zellen kopiert (mit Ausnahme seiner Keimzellen, in die eine zufällige Hälfte seiner DNS hineinkopiert wird, wie wir noch sehen werden).
    Alle Computerspeicher, ob nun »ROM« oder »RAM«, sind bezeichnet. Das bedeutet, daß jeder Ort in dem Speicher ein Etikett besitzt, gewöhnlich eine Zahl, aber das ist eine willkürliche Konvention. Wichtig ist, daß wir den Unterschied zwischen Etikett und Inhalt eines Speicherortes verstehen. Jeder Ort ist durch sein Etikett bezeichnet. Beispielsweise sitzen die ersten zwei

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