Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
besetzt wurde. Der größte der heutigen Ameisenfresser ist Myrmecophaga (was nichts anderes bedeutet als Ameisenfresser auf griechisch), der auf dem Boden lebende große Ameisenbär Südamerikas und wahrscheinlich der extremste ameisenfressende Spezialist auf der ganzen Welt. Wie der australische Beutel-Myrmecobius besitzt er eine lange, spitze Schnauze, in diesem Fall sogar eine extrem lange und spitze Schnauze, und eine außerordentlich lange klebrige Zunge. Südamerika besitzt auch einen baumkletternden kleinen Ameisenbär, der ein naher Verwandter von Myrmecophaga ist und wie eine Miniatur und weniger extreme Ausgabe davon aussieht, sowie eine dritte, dazwischenliegende Art. Obwohl diese Ameisenfresser plazentale Säugetiere sind, sind sie von jedem plazentalen Säugetier der Alten Welt meilenweit entfernt. Sie gehören einer einzigartigen, ausschließlich südamerikanischen Ordnung an, der auch Gürtel- und Faultiere angehören. Diese alte Ordnung plazentaler Säugetiere hat seit den frühen Tagen der Isolation des Kontinents neben den Beuteltieren existiert.
Zu den Ameisenfressern der Alten Welt gehören mehrere Arten von Schuppentieren in Afrika und Asien, die von auf Bäumen lebenden bis zu grabenden Formen reichen und alle ein wenig wie Tannenzapfen mit spitzen Schnauzen aussehen. Ebenfalls in Afrika finden wir das seltsame Erdferkel, das teilweise zum Graben spezialisiert ist. Ein für alle Ameisenfresser charakteristischer Zug, ob sie nun Beuteltiere, Kloakentiere oder plazentale Tiere sind, ist eine außerordentlich niedrige Stoffwechselrate. Diese Rate ist die Geschwindigkeit, mit der ihre chemischen »Feuer« brennen, am leichtesten gemessen als Bluttemperatur. Im allgemeinen hängt die Stoffwechselrate bei Säugetieren von der Körpergröße ab. Kleinere Tiere haben gewöhnlich höhere Stoffwechselraten, geradeso wie die Motoren kleinerer Autos sich mit größerer Geschwindigkeit drehen als die der großen. Einige Tiere jedoch haben für ihre Größe hohe Stoffwechselraten, und Ameisenfresser, unabhängig von ihren Vorfahren und Verwandten, haben gewöhnlich eine für ihre Größe sehr niedrige Rate. Es ist nicht offenkundig, warum das so ist, aber es ist eine auffallende Konvergenz unter Tieren, die nur miteinander gemein haben, Ameisen zu fressen, so daß es höchstwahrscheinlich etwas damit zu tun hat.
Wie wir gesehen haben, sind die »Ameisen«, die die Ameisenfresser verspeisen, häufig überhaupt keine echten Ameisen, sondern Termiten. Termiten werden oft als »weiße Ameisen« bezeichnet, aber sie sind näher mit Schaben verwandt als mit echten Ameisen, die mit Bienen und Wespen verwandt sind. Termiten sehen oberflächlich betrachtet wie Ameisen aus, weil sie konvergent dieselbe Lebensweise angenommen haben. Dieselbe Reihe von Anpassungen, sollte ich sagen, denn es gibt viele Zweige der Ameisen/Termiten-Lebensweise, und sowohl Ameisen als auch Termiten haben sich unabhängig voneinander die Mehrzahl von ihnen zu eigen gemacht. Wie so oft bei konvergenter Evolution sind die Unterschiede ebenso aufschlußreich wie die Ähnlichkeiten.
Sowohl Ameisen als auch Termiten leben in großen Kolonien aus nicht fortpflanzungsfähigen, flügellosen Arbeiterinnen, die sich der Produktion von Arbeitern und geflügelten Geschlechtstieren widmen, welche fortfliegen, um neue Kolonien zu gründen. Ein interessanter Unterschied besteht darin, daß bei den Ameisen alle Arbeiter sterile Weibchen sind, während sie bei den Termiten aus sterilen Männchen und sterilen Weibchen bestehen. Sowohl Ameisen- als auch Termitenkolonien haben eine (oder manchmal mehrere) »Königinnen« mit größerem Körper, manchmal (bei Ameisen wie bei Termiten) von grotesker Größe. Sowohl bei Ameisen als auch bei Termiten umfassen die Arbeiter spezialisierte Kasten wie Soldaten. Gelegentlich handelt es sich um so spezialisierte Kampfmaschinen, besonders was ihre riesigen Kiefer betrifft (im Falle der Ameisen; im Falle der Termiten sind es »Geschütztürme« für chemische Kriegführung), daß sie nicht selbst fressen können und von Arbeitern, die keine Soldaten sind, gefüttert werden müssen. Für spezielle Ameisenarten gibt es parallele Entsprechungen bei speziellen Termitenarten. Beispielsweise ist die Gewohnheit des Pilzezüchtens unabhängig voneinander bei den Ameisen (in der Neuen Welt) und den Termiten (in Afrika) aufgekommen. Die Ameisen (oder Termiten) gehen auf die Futtersuche nach Pflanzenmaterial, das sie aber nicht
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