Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
zeigt wirklich hervorragend auf, welche Eigenschaften jede befriedigende Theorie über die Entstehung des Lebens haben muß. Ich meine die Theorie vom »anorganischen Mineral« des Glasgower Chemikers Graham Cairns- Smith, die zum ersten Mal vor 20 Jahren vorgeschlagen und seither in drei Büchern entwickelt und ausgefeilt wurde; das letzte, Seven Clues to the Origin of Life, behandelt die Entstehung des Lebens als Geheimnis, das eine Lösung a la Sherlock Holmes verlangt.
Cairns-Smith glaubt, daß die DNS/Protein-Maschine wahrscheinlich erst relativ spät entstand, vielleicht vor nicht einmal drei Milliarden Jahren. Vor ihr gab es viele Generationen kumulativer Selektion, die auf irgendwelchen völlig anderen sich selbst reproduzierenden Einheiten beruhte. Nachdem die DNS einmal da war, erwies sie sich als so viel effizienterer Replikator und so viel mächtiger in ihren Auswirkungen auf ihre eigene Replikation, daß das ursprüngliche Replikationssystem abgeworfen und vergessen wurde. Die moderne DNS- Maschinerie ist seiner Meinung nach ein Neuankömmling, ein junger Usurpator der Rolle des grundlegenden Replikators, der diese Rolle von einem früheren und noch gröberen Replikator übernommen hat. Es mag sogar eine ganze Reihe solcher Usurpationen gegeben haben, doch der ursprüngliche Replikationsvorgang muß so einfach gewesen sein, daß er durch das, was ich »Ein-Schritt-Selektion« tituliert habe, entstehen konnte.
Die Chemiker teilen ihr Forschungsgebiet in zwei Hauptzweige ein, die organische und die anorganische Chemie. Organische Chemie ist die Chemie eines speziellen Elements, des Kohlenstoffs, alles andere ist anorganische Chemie. Kohlenstoff ist wichtig und verdient seinen eigenen privaten Zweig, zum Teil weil die ganze Chemie des Lebens Kohlenstoffchemie ist, und zum Teil weil dieselben Eigenschaften, die die Kohlenstoffchemie für das Leben prädestinieren, sie auch für industrielle Verfahren, wie die der Kunststoffindustrie, brauchbar machen. Das wesentliche Merkmal der Kohlenstoffatome im Rahmen des Lebens und des industriellen synthetischen Stoffes ist ihr unbegrenztes Repertoire, verschiedene Sorten sehr großer Moleküle zu verbinden. Ein anderes Element mit einigen derselben Merkmale ist Silizium. Obwohl die Chemie des heute auf der Erde existierenden Lebens ausschließlich Kohlenstoffchemie ist, gilt das vielleicht nicht für das gesamte Universum und hat vielleicht auch nicht immer auf der Erde gegolten. Nach Cairns-Smiths Ansicht hat das ursprüngliche Leben auf unserem Planeten auf sich selbst verdoppelnden anorganischen Kristallen, etwa Silikaten, beruht. Wenn das zutrifft, müssen später organische Replikatoren und endlich die DNS diese Rolle übernommen oder an sich gerissen haben.
Cairns-Smith führt einige Argumente an, um die allgemeine Glaubwürdigkeit dieser Idee von der »Übernahme« zu untermauern. Ein Steinbogen z. B. ist eine stabile Struktur, die viele Jahre überdauern kann, selbst wenn die Steine nicht durch Zement miteinander verbunden sind. Eine komplexe Struktur durch Evolution aufzubauen gleicht dem Versuch, einen mörtellosen Bogen zu bauen, aber jedes Mal nur einen einzigen Stein berühren zu dürfen. Man denke unbefangen darüber nach: Es geht nicht. Der Bogen wird stehen, sobald der letzte Stein an seinem Platz ist, aber die dazwischenliegenden Stadien sind instabil. Es ist jedoch recht leicht, den Bogen zu bauen, wenn es uns erlaubt ist, Steine wegzunehmen und hinzuzutun. Richten wir zuerst einen soliden Berg von Steinen auf und bauen dann den Bogen so, daß er auf diesem soliden Fundament ruht. Wenn dann der ganze Bogen, einschließlich des entscheidend wichtigen Schlußsteins in Bogenmitte, fest steht, können wir die stützenden Steine vorsichtig wegräumen, und der Bogen wird mit ein wenig Glück stehen. Stonehenge ist unverständlich, solange wir nicht auf die Idee kommen, daß die Erbauer ein Gerüst oder vielleicht Erdrampen benutzt haben, die nicht mehr da sind. Wir können nur das Endprodukt sehen und müssen das verschwundene Gerüst ableiten. In ähnlicher Weise sind DNS und Protein zwei Säulen eines stabilen und eleganten Bogens, der stehen bleibt, sobald einmal alle seine Teile gleichzeitig da sind. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie er schrittweise entsteht, es sei denn, es hat ein früheres Gerüst gegeben, das völlig verschwunden ist. Dieses Gerüst muß selbst wiederum durch eine frühere Form der kumulativen Selektion aufgebaut worden
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