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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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wie möglich anschauen. Hätten wir gewusst, dass Sie so schnell …«
    »Kenne ich Sie, Inspector Jefe?«, fragte sie. »Sind wir uns schon einmal begegnet?«
    Sie stand ihm jetzt direkt gegenüber, den Mantel mit Pelzkragen offen, darunter ein schwarzes Kleid, keine Frau, die zu irgendeinem Anlass unangemessen gekleidet erscheinen würde. Sie ließ die volle Wucht ihrer Attraktivität auf ihn wirken. Die blonden Haare lagen nicht ganz so ordentlich wie auf dem Foto, dafür waren ihre Augen in Wirklichkeit größer, blauer und eisiger. Ihre Lippen, die ihrer dominanten Stimme den rechten Nachdruck verliehen, waren dunkel umrandet – nur für den Fall, dass irgendwer so dumm war zu glauben, man könnte Befehle aus ihrem weichen, geschmeidigen Mund missachten.
    »Ich glaube nicht«, sagte er.
    »Falcón …«, sagte sie und spielte mit den Ringen an ihren Fingern, während sie ihn von oben bis unten musterte. »Nein, das ist zu albern.«
    »Was ist zu albern, wenn ich fragen darf, Doña Consuelo?«
    »Die Idee, dass der Künstler Francisco Falcón einen Sohn hat, der Inspector Jefe bei der Mordkommission ist.«
    Sie weiß es, dachte er … woher auch immer.
    »Und … dieser Film«, sagte sie, an Ramírez gewandt, schob ihren Mantel zurück und stemmte die Fäuste in die Hüften.
    Calderóns Blick streifte ihre Brüste, bevor er über ihrer linken Schulter Falcóns Augen suchte. Der schüttelte langsam den Kopf.
    »Ich denke nicht, dass Sie sich das ansehen sollten, Doña Consuelo«, sagte der junge Staatsanwalt.
    »Warum? Ist es gewalttätig? Ich mag keine Gewalt«, sagte sie, ohne ihren Blick von Ramírez zu wenden.
    »Nicht körperlich«, sagte Falcón. »Ich denke, Sie würden es unangenehm zudringlich finden.«
    Die Spulen der Videokassette quietschten. Das Band lief immer noch. Señora Jiménez nahm die Fernbedienung vom Schreibtisch, spulte das Video zurück und drückte auf Play. Keiner der Männer hinderte sie daran. Falcón beobachtete ihr Gesicht. Ihre Augen wurden schmal, sie schürzte die Lippen und kaute von innen auf ihrer Backe. Während der stumme Film lief, riss sie die Augen auf, ihre Gesichtszüge sackten in sich zusammen – sie hatte begriffen, was sie sah, hatte erkannt, dass ihre Kinder und sie Studienobjekte des Mörders ihres Mannes geworden waren. Gegen Ende der ersten Taxifahrt, die, wie mittlerweile alle wussten, in die Calle Rió de la Plata 17 führte, hielt sie das Band an, warf die Fernbedienung auf den Tisch und eilte aus dem Zimmer. Stille breitete sich zwischen den Männern aus, bis sie Señora Jiménez in ihrem von Halogenlampen erleuchteten, mit weißem Marmor ausgestatteten Bad würgen und spucken hörten.
    »Sie hätten sie aufhalten sollen«, sagte Calderón in dem Bemühen, ein wenig Verantwortung abzuladen, und strich sich erneut durchs Haar. Die beiden Polizisten reagierten nicht. Also blickte der Richter auf seine teure Armbanduhr und kündigte seinen Aufbruch an. Sie verabredeten sich um fünf Uhr im Edificio de los Juzgados, um ihre ersten Ermittlungsergebnisse zu präsentieren.
    »Haben Sie das Foto dort gesehen, in der Nähe des Fensters?«, fragte Falcón.
    »Das mit León und Bellido?«, fragte Calderón. »Ja, habe ich, und wenn Sie noch ein bisschen genauer hinsehen, werden Sie auch eins von unserem obersten Richter, dem Magistrado Juez Decano de Sevilla, entdecken. Das alte Adlerauge Spinola persönlich.«
    »Da wird es wohl einigen Druck geben in diesem Fall«, bemerkte Ramírez.
    Kommentarlos schob Calderón sein Handy in die Jackentasche und ging.

3
    Donnerstag, 12. April 2001, Edificio Presidente,
    Los Remedios, Sevilla

    Falcón wies Ramírez an, die Männer von der Umzugsfirma zu befragen – wann sie gekommen und gegangen waren und ob ihre Ausrüstung zu irgendeinem Zeitpunkt unbeaufsichtigt gewesen war.
    »Glauben Sie, dass er so reingekommen ist?«, fragte Ramírez, unfähig, irgendeine Anweisung unkommentiert zu lassen.
    »Ungesehen in dieses Gebäude und wieder heraus zu kommen, ist jedenfalls nicht leicht«, sagte Falcón. »Wenn das Hausmädchen bestätigt, dass die Tür bei ihrer Ankunft heute Morgen zweimal abgeschlossen war, ist es tatsächlich möglich, dass er die Hebebühne benutzt hat, um hereinzukommen. Wenn nicht, müssen wir uns die Bänder der Überwachungskameras noch mal ansehen.«
    »Um hier zwölf Stunden lang zu warten, braucht man aber verdammt gute Nerven, Inspector Jefe.«
    »Um ungesehen aus der Tür zu schlüpfen, während das

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