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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Selbstverstümmelung beider Opfer deutet klar darauf hin. Die Frage ist: Woher weiß Sergio diese Dinge? Es sind schließlich keine allgemein zugänglichen Informationen, sondern sehr persönliche, geheime Geschichten. Wie kommt Sergio in die Köpfe anderer Menschen?«
    Falcón erzählte ihm von dem Einbruch, von dem ihm der Beamte der örtlichen Wache berichtet hatte.
    »Nun, wenn er tatsächlich ein ganzes Wochenende hier verbracht hätte, würde das nahe legen, dass er Salgado schon ausgewählt hatte, sein besonderes Grauen bereits kannte und nur noch die Mittel gesucht hat, es ihm wieder vor Augen zu führen.«
    »Er ist besessen von Filmen«, sagte Falcón. »Für ihn scheinen sie gleichbedeutend mit Erinnerungen zu sein.«
    »Sie wissen ja, wie das ist … Filme und Träume. Die Leute bringen die beiden ständig durcheinander«, sagte Calderón. »Verständlicherweise. Die geschlossene Dunkelheit des Kinos, die Bilder. Es ist gar nicht so anders als das, was man im Schlaf sieht.«
    »Wir haben ja schon über seine Kreativität gesprochen«, sagte Falcón. »Er macht das, wovon jeder Künstler träumt. Er dringt in die Köpfe der Menschen ein und zwingt sie, die Dinge anders zu sehen. Oder genauer gesagt, er zwingt sie, etwas zu sehen, was sie bereits kennen, aber in einem anderen Licht. Und dazu muss er kreativ sein, denn die Leute bewahren schließlich keine Aufzeichnungen über persönliches Grauen auf, oder?«
    »Sie vergraben sie«, sagte Calderón.
    »Vielleicht ist es das Wesen des Bösen, so etwas wieder hervorzubringen«, sagte Falcón. »Das Genie des Bösen.«
    Calderón drehte sich auf seinem Stuhl um und betrachtete die vier Falcón-Akte. »Zum Glück gibt es auch andere Arten von Genies, als Gegengewicht zu dem Bösen.«
    »Im Falle meines Vaters wünschte ich, er hätte es nie gehabt.«
    »Warum?«
    »Weil er es verloren hat«, sagte Falcón. »Wenn er es nie gehabt hätte … hätte er nicht mit diesem Gefühl des Verlustes durch den Rest seines Lebens gehen müssen.«
    Falcón trat wieder ans Fenster, als sich erneut eine persönliche Ebene in ihr Gespräch mischte. Er fragte sich, ob diese neue, persönliche Ebene in ihrem Gespräch die Situation noch retten konnte. Wenn er so über seinen Vater sprechen konnte, warum dann nicht auch über Inés? Es klopfte, und Fernández steckte den Kopf herein.
    »Inspector Ramírez hat auf dem Speicher eine Truhe gefunden«, sagte er. »Das Schloss ist durchgesägt und der Staub auf dem Deckel verwischt. Felipe untersucht sie gerade auf Fingerabdrücke.«
    Nachdem Felipe die Truhe für sauber erklärt hatte, schafften sie sie auf den obersten Treppenabsatz. Sie war sehr schwer. Sie öffneten den Deckel und schlugen das braune Packpapier beiseite, das den Inhalt bedeckte – Bücher und alte Kataloge, Ausgaben einer Zeitschrift namens Tangier-Riviera, dicke braune Umschläge mit Fotos. An einer Seite steckten vier alte Tonbänder, dazu eine alte Filmrolle, jedoch weder Kamera noch Projektor. Daneben lag ein Tagebuch, dessen erster Eintrag auf den 2. April 1966 datiert war und das nach etwa 20 Seiten am 3. Juli 1968 endete.
    Als Calderón erkannte, dass auch die Truhe keine schnellen Lösungen versprach, verabredeten sie sich für den kommenden Montagmittag, und dann verabschiedete er sich zu einem Termin. Vor der Haustür lief er vier Journalisten in die Arme, die zu gut informiert waren, um sie einfach zu ignorieren. Er hielt eine improvisierte Pressekonferenz ab, und einer der Journalisten sagte, dass die Medien den Mörder El Ciego de Sevilla , den Blinden von Sevilla, getauft hatten. Calderón wies ihn darauf hin, dass der Mörder in keinster Weise blind sei, eher das Gegenteil.
    »Sie können also bestätigen , dass der Mörder seinen Opfern die Augenlider abschneidet?«, fragte der Reporter, womit die Pressekonferenz vorzeitig zu Ende war.
    Falcón und Ramírez teilten sich die Arbeit auf. Ramírez fuhr bereitwillig mit Fernández zu der Galerie in der Calle Zaragoza, als er erfuhr, dass Salgado eine blonde, blauäugige Sekretärin namens Greta hatte. Baena und Serrano setzten zusammen mit Felipe und Jorge die Durchsuchung des Hauses fort, nachdem die Truhe ins Arbeitszimmer geschafft und ihr Inhalt auf dem Tisch ausgebreitet worden war. Auch eine genauere Durchsuchung des Speichers förderte weder Kamera noch Projektor zu Tage; alles, was sich fand, war ein altes Tonbandgerät, das Felipe sogar in Gang brachte.
    Nahe liegender Ausgangspunkt war das

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