Der Blinde von Sevilla
und relativ weiche Waffe wie etwa eine Faust verursacht worden. Der Mörder hat Salgado drei Mal ins Gesicht geschlagen, und ich habe mich gefragt, warum er das getan hat. Die Spuren in Salgados Gesicht legen nahe, dass der Mörder mit der linken Hand geschlagen hat, dabei weiß ich, dass er Rechtshänder ist.«
»Wie das?«
»Wenn man jemandem die Augenlider abschneidet, der bereits an einen Stuhl gefesselt ist, wird man sich wahrscheinlich hinter ihn stellen und den Kopf des Opfers zurückbiegen. Der erste Schnitt mit dem Skalpell wurde am linken Auge des Opfers von links nach rechts vorgenommen, dasselbe gilt für das rechte Auge.«
»Und was glauben Sie, warum er ihn mit der linken Hand geschlagen hat?«
»Weil die andere Hand schon im Einsatz war.«
»Inwiefern?«
»Sie steckte im Mund des Opfers. Der Mann hat seinen Mörder gebissen.«
»Können Sie das beweisen?«
»Nachdem er ihn chloroformiert hatte, um seine Operation durchzuführen, hat er ihm die Socken aus dem Mund genommen, um zu verhindern, dass das Opfer während der Bewusstlosigkeit erstickt. Als das Opfer wieder zu sich kam, hat er ihm die Socken wieder zurück in den Mund gestopft. Aber er war entweder nicht schnell genug, oder es war ein Reflex des Opfers.«
»Aber woher wissen Sie das alles?«
»Ich habe im Mund des Opfers und an den Socken Blut gefunden, das nicht von ihm stammt, also nicht die Blutgruppe 0+, sondern AB+ hat. Ich habe einen DNA-Test in Auftrag gegeben.«
Falcón legte in dem Moment auf, in dem sein Handy zu klingeln anfing. Es war Felipe, der bestätigte, dass einer der Blutspritzer die Gruppe AB+ hatte. Der Spritzer war etwa 1,20 Meter vom Vorderbein des Stuhles entfernt Richtung Tür gefunden worden. Noch während sie sprachen, klingelte das Festnetz-Telefon. Diesmal war es Consuelo Jiménez.
»Woher haben Sie diese Nummer?«
»Ich habe in der Jefatura angerufen, und man sagte mir, Sie wären noch nicht da.«
»Aber die geben meine Privatnummer nicht raus, und meine Handy-Nummer hatten Sie ja schon.«
»Diese Nummer habe ich schon seit Jahren. Ramón hatte sie mir gegeben«, sagte sie. »Ihr Vater und ich haben uns gelegentlich unterhalten.«
»Haben Sie etwas über Señor Carvajal für mich?«
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass Ramón Salgado von dem gleichen Täter ermordet wurde wie mein Mann. Das mit den abgeschnittenen Augenlidern haben Sie mir gar nicht erzählt.«
»Die Zeitungen sind wie üblich auf Sensationen aus«, sagte er und beließ es dabei.
»Ramón und ich waren gute Freunde.«
»Aber auch nicht so gute Freunde, dass Sie sich zu Beginn meiner Ermittlung an seinen Namen erinnern konnten.«
»Die Zudringlichkeit des Mörders hat mich schockiert, ich wollte lediglich die Zudringlichkeit des Ermittlers unter Kontrolle halten … mehr nicht.«
»Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass die Tatsache, dass Sie uns diese Verbindung verschwiegen haben, Ramón das Leben gekostet haben könnte?«, fragte er, die Wahrheit bis aufs Äußerste strapazierend, um eine emotionale Reaktion zu provozieren.
»Er hat gesagt, er wollte Sie treffen.«
»Wann?«
»Wir haben seit Raúls Ermordung täglich miteinander telefoniert«, sagte sie. »Haben Sie die Telefonlisten nicht durchgesehen?«
»Ich habe den entsprechenden Bericht noch nicht gelesen.«
»Ramón war ein sehr sensibler Mann und sehr gewissenhaft.«
»Was hat er Ihnen erzählt, wann wir uns treffen wollten?«
»Gestern zum Mittagessen.«
»Hat er Ihnen gesagt, worüber er mit mir sprechen wollte?«
»Nein.«
»Es klang nicht so, als könnte es um Sie gehen, oder?«
»Warum sollte es?«
»Hat er Ihnen von unserem kleinen Deal erzählt?«
»Nein.«
»Er wollte mir Informationen über Raúls Feinde geben, wenn ich ihm dafür einen Tag lang Zutritt zum Atelier meines Vaters gewähren würde. Er hat gesagt, seine Motive wären nicht kommerziell.«
»Er hat Ihren Vater verehrt«, sagte sie. »Ramón hatte sein ganzes Leben und seinen Erfolg dem Genie Ihres Vaters zu verdanken.«
»Und was wollte er? Mit dem Geist meines Vaters kommunizieren?«
»Zynismus steht Ihnen nicht, Don Javier.«
»Wie gut kannten Sie Ramón und … seit wann?«
»Seit fast 20 Jahren.«
»Wussten Sie, dass er verheiratet war?«
Schweigen.
»Wussten Sie, dass seine Frau bei der Geburt des ersten Kindes gestorben ist?«
Schweigen.
»Wussten Sie, dass …« Falcón bremste sich, als ihm die Nutzlosigkeit dieses Unterfangens plötzlich
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