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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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so gut war wie angekündigt und einen eigentümlich minzigen, duftigen Geschmack hatte. Überhaupt war alles auf dem Servierwagen exotisch und vorzüglich, aber ihm war mittlerweile die Eßlust gründlich vergangen. »Was genau meinst du mit ›dies‹?« fragte er. »Ich höre immer wieder was von einem Blumenkrieg. Alle sagen, es wird keinen geben, niemand würde es wagen, einen anzuzetteln, bla, bla, bla. Das kommt mir so vor, wie wenn eine Scheidung im Busch ist oder jemand im Sterben liegt: Immer wenn soviel darüber geredet wird, daß irgend etwas ganz bestimmt nicht passiert, dann meistens deshalb, weil alle eine Heidenangst davor haben, daß es passiert.«
    »Deine menschliche Herkunft zahlt sich aus«, bemerkte Stockrose. »Du siehst mehr als viele in dieser Stadt. Ja, ich stimme dir zu: Alle legen einen unsinnigen Optimismus an den Tag, aber ich glaube, daß sie insgeheim genau Bescheid wissen. Es ist eine gängige Pflichtübung, zu versichern, daß niemand einen Blumenkrieg will, aber Tatsache ist, daß es in der jüngeren Geschichte drei gegeben hat, einen davon erst vor recht kurzer Zeit, und für mein Empfinden mehr oder weniger aus denselben Gründen: gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen den herrschenden Familien.«
    »Aber was hat das mit mir zu tun?« Theo rieb sich das Gesicht. Der fehlende Schlaf machte sich langsam bemerkbar: Es wurde immer beschwerlicher, das dumpfe Pochen in seinem Schädel zu ignorieren, die Folge des übermäßigen nächtlichen Alkoholkonsums. »Das ist doch verrückt.«
    »Ich vermute, daß es mit den Gerüchten zusammenhängt, die mir zu Ohren gekommen sind, wahrhaft schaurigen Gerüchten. Es heißt, die Nieswurzen hätten ein Schreckliches Kind aufgezogen.«
    Theo schüttelte den Kopf. »Versteh ich nicht. Sie haben ein schwererziehbares Kind?«
    »Nein, nein. Ein Schreckliches Kind ist kein gewöhnliches Kind, ganz und gar nicht. Es ist… ein Ding, könnte man sagen. Das Produkt einer sehr alten und heute gemiedenen Wissenschaft aus einer früheren Epoche. Ein Kind, das nicht auf normale Art von einer Frau geboren wird, aber viel mehr weiß ich nicht über den Vorgang, denn er ist nur in alten Sagen überliefert. Wenn Nieswurz damit Erfolg gehabt hat, dann ist ihm etwas Großes gelungen, auch wenn es böse ist.«
    »Böse?«
    »Ein Schreckliches Kind ist eine Art lebende Beschwörung, falls meine spärlichen Kenntnisse zutreffen. Eine Verbindung zur Urnacht.«
    »Urnacht. Ich hab das Gefühl, das ist noch so eine Sache, die etwas ziemlich Unerfreuliches bedeutet.«
    »Sie ist das uranfängliche brodelnde Chaos, aus dem alle Ordnung hervorging. Sie kann nur gebändigt werden, nicht zerstört.« Die Tatsache, daß der Elfenfürst das so sagen konnte, als ob er über das Wetter redete, machte Theo am meisten angst. Ich bin in eine Welt geraten, wo solche Dinge schlichte Tatsachen sind. Magie ist hier an der Tagesordnung, auch schwarze Magie. Und ich habe von alledem null Ahnung. »Sie hat sich heutzutage zurückgezogen und berührt die Welt nur noch an wenigen düsteren Orten«, erklärte Stockrose, »doch diesen wenigen Orten entspringen fürchterliche Dinge, Wahnsinn und Mord. Die Urnacht in ihrer vollen Gewalt zu entfesseln würde eine ganze Epoche des Blutvergießens, der Barbarei und der Verblendung herbeiführen, in der alles Gewohnte auf die schlimmstmögliche Weise entarten würde.«
    Theo wünschte, er hätte nichts gegessen. Er hatte einen sauren, übelkeiterregenden Geschmack im Mund. Er griff nach dem Kristallkelch mit Wasser, den der Elfenfürst ihm eingeschenkt hatte, und trank wie ein Verdurstender. »Klingt grausig«, sagte er schließlich. »Aber ich begreife immer noch nicht, was das mit mir zu tun hat. Außerdem, warum sollten diese Nieswurzen absichtlich so etwas tun? Ich habe ihr Haus gesehen – sie sind reich und mächtig. Wenn sie Elfien kaputtmachen, machen sie sich mit kaputt, nicht wahr?« Er nahm einen weiteren Schluck.
    Stockrose verzog das Gesicht zu einem bitteren Grinsen. »Ich habe keine Ahnung, was das alles mit dir zu tun haben könnte, ich weiß nur, daß man über ein derart ungewöhnliches Zusammentreffen nicht einfach hinwegsehen darf. Aber in dem Punkt, warum die Nieswurzen so etwas tun würden, hast du mich mißverstanden. Diese Leute haben nicht vor, die Urnacht hier zu entfesseln. Es ist deine Welt, der sie eine Epoche des Grauens bescheren wollen – das heißt die Welt, die einmal deine war. Die Menschenwelt.«
     
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