Der Blumenkrieg
einem solchen einzigartigen und ungewöhnlichen Ziel, hätte Aufmerksamkeit erregt, und uns war klar, daß du bereits von Nieswurz und seinen Verbündeten beobachtet wurdest. Rainfarn ist einer der wenigen Männer außerhalb der Stadt, die über die Fähigkeit verfügen, etwas Derartiges zu bewerkstelligen. Seine Experimente sind allbekannt, doch selbst die mißtrauischsten Mitglieder der großen Familien halten ihn im großen und ganzen für einen harmlosen Exzentriker – er hat kaum politische Ambitionen, obwohl er viel über Politik redet –, und daher dachte ich, wenn er dich kontaktierte und herüberzubringen versuchte, würde das vielleicht unbemerkt bleiben.« Er blickte düster. »Das war offensichtlich ein Irrtum. Jedenfalls übte ich über seinen Vetter Fürst Chrysantheme ein bißchen Druck auf ihn aus, und schließlich willigte er ein.«
»Aber nicht in alles, was du wolltest.«
»Mit Sicherheit erledigte er seinen Auftrag nicht mit der Sorgfalt, die ich mir gewünscht hätte. Man stelle sich vor, nur eine Fee auf dich anzusetzen!«
»Sie hat das ziemlich gut gemacht«, sagte Theo. »Nein, sie hat das verdammt gut gemacht!«
»Wie dem auch sei, Rainfarn bekam es mit der Angst zu tun, als er vom Tod meines Neffen Dalian erfuhr.« Stockroses düsterer Blick kehrte wieder. »Ich verstehe immer noch nicht, warum sie sein Herz der Chrysanthemensippe geschickt haben. Aber aus welchem Grund auch immer, er wurde panisch und wollte aussteigen. Narzisse und Lilie und einige andere mußten das volle Gewicht ihrer Autorität in die Waagschale werfen, bis er schließlich einwilligte, sich an seine Abmachung mit uns zu halten.«
Theo lehnte sich zurück. Jetzt verstand er den Wandel in Rainfarns Verhalten, den Wechsel von Schroffheit und scheinbarem Desinteresse am Anfang zu einer beinahe schmeichlerischen Freundlichkeit. Doch das erklärte nicht alles. »Und«, sagte er nach kurzem Schweigen, »was wird heute geschehen? Woher weiß ich, daß Fürst Löwenzahn und seine Freunde mich nicht an Nieswurz verraten? Eine sehr hohe Meinung haben sie nicht von mir.«
»Fürst Löwenzahn.« Der Elfenfürst grinste. »Sehr treffend. Das werde ich mir für den Parlamentskarneval merken, falls in diesem Jahr so eine schlichte Vergnügung stattfinden sollte. Was die Frage eines möglichen Verrats betrifft, so solltest du dir deswegen keine großen Gedanken machen, Junker Vilmos. Ich mag aus der Sicht der anderen ein junger Unruhestifter sein, doch als Oberhaupt einer der führenden Familien kann ich nicht ohne weiteres ignoriert werden, nicht einmal von einem alten Schlachtroß wie Narzisse. Außerdem machen Nieswurz’ Machenschaften sie langsam nervös, auch wenn sie es nicht zugeben. Ihnen sind die Gerüchte über das Schreckliche Kind zu Ohren gekommen, und sie wissen genau, daß so etwas nur geschehen kann, wenn sich jemand einer scheußlichen Wissenschaft bedient, wenn er viele verbotene Dinge erforscht und praktiziert. Du, Junker Vilmos, bist ein Pfand, aber nach unserem jetzigen Wissensstand ein wichtiges. Man wird dich nicht so schnell aus der Hand geben, wie du befürchtest.«
»Irgendwie erleichtert mich die Vorstellung nicht besonders.«
Jetzt lachte Stockrose. Für den Herrn eines Blumengeschlechts war er ganz sympathisch. Theo wußte nicht, ob ihn das mißtrauisch machen sollte oder nicht. Auf jeden Fall wurden seine Mißtrauensantennen vor Überbeanspruchung allmählich stumpf. »Ich habe dafür gesorgt, daß du die ganze Sache von einem sicheren Ort im Tagungszentrum aus verfolgen kannst«, erklärte der Elfenfürst. »Du wirst dich nicht einmal auf demselben Stockwerk befinden wie Nieswurz und seine Abordnung. Komm jetzt, die Vorstellung geht bald los. Ich bringe dich an deinen Sitz.«
Theo stand auf. »Gibt es eine Möglichkeit, jemanden hier im Haus ausfindig zu machen? Ich suche Apfelgriebs, die Fee, die mich hergebracht hat. Sie ist vor einer Weile verschwunden, und ich fange an, mir ihretwegen Sorgen zu machen.«
»Ich werde den Heinzel benachrichtigen«, sagte Stockrose, während er ihm voraus zur Tür schritt. »Ich bin sicher, man wird deine Freundin rasch finden. Du bist schließlich ein wichtiger Gast, auch wenn es manchmal nicht den Anschein macht.«
V om Foyer des Narzissenturms zum Tagungszentrum ging man mindestens zehn Minuten, um den Graben herum und am Rand eines Parks zum Andenken an die Angehörigen der Narzissensippe entlang, die im Krieg gefallen waren, auch wenn nicht
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