Der Blumenkrieg
beschrieb er mit der Gabel eine eigenartige Figur in der Luft, und augenblicklich fühlte sich die Atmosphäre im Raum dichter, intimer an. Theos Ohren knackten wie bei einem plötzlichen Höhenwechsel. »Nur ein kleiner Abschirmzauber«, erklärte Stockrose. »Ich bin sicher, daß unsere Gastgeber meine Privatsphäre respektieren, aber in diesen traurigen Zeiten kann zuviel Vertrauen ungesund sein, selbst den eigenen Verbündeten gegenüber.« Er lächelte, doch seine Augen blickten scharf. »Ich sagte vorhin, daß Rainfarns Art, dich schutzlos ziehen zu lassen, mir mißfällt. Aber es betrübt mich auch, wie sehr die Narzissensippe die Sorge um dich auf die leichte Schulter nimmt.«
»Ich bin ihnen einfach ins Haus geschneit, und sie haben mich aufgenommen«, wandte Theo ein.
»Sie haben dir keine Verhaltensmaßregeln, keine Aufklärung gegeben, gar nichts. Es ist bedauerlich, aber die Stadt ist heutzutage für nahezu niemanden ein sicheres Pflaster, und ganz gewiß nicht für dich. Ich habe gehört, daß Fürstin Ämilias Sohn dich in einen Club in der Nieswurz-Residenz mitgenommen haben soll. Stimmt das?« Als Theo nickte, verfinsterte sich sein Gesicht. »Ungeheuerlich. Genausogut könntest du dein Portemonnaie in Goblinhausen auf den Bürgersteig legen und erwarten, daß es bei deiner Rückkehr noch da ist. Du hast offenbar ein unglaubliches Glück gehabt. Vielleicht ein bißchen zu unglaublich.« Er hob abermals die Gabel hoch, als ob sie ein Taktstock wäre und er Theo dabei dirigieren wollte, eine Arie aus Madame Butterfly zu singen. »Darf ich?«
»Darfst du was?«
»Dich einer kurzen Überprüfung unterziehen.« Er sah die Verwirrung, mit der Theo die Obstgabel betrachtete. »Aha. Sie ist Silber, nicht wahr, ein guter Leiter. Nicht perfekt, aber gut genug, daß ich nicht extra meine Sachen nach meinem Zauberstab durchwühlen muß.« Als Theo keine Einwände machte, schloß Fürst Stockrose die Augen und schwenkte die Gabel langsam im Kreis. Dreimal hielt er an und schnappte mit der freien Hand nach etwas Unsichtbarem, als ob er Fliegen finge.
»Wie ich vermutet hatte«, sagte Stockrose, als er fertig war. »Du warst voll davon. Aber zu unserem Glück sind sie alle von der harmlosen Art. Ich glaube nicht, daß mehr dahintersteht als die routinemäßigen Sicherheitsmaßnahmen in der Nieswurz-Residenz – alle werden damit bepflastert. Du hast auch ein paar von der Chrysanthemenkommune an dir, aber die sind Tage alt und inaktiv.«
Theo verspürte plötzlich ein Kribbeln am ganzen Leib. »Ein paar was? Voll wovon?«
»Zauber, würdest du vermutlich dazu sagen, auch wenn diese hier ein wenig … technischer sind als die Dinge, die das Wort gemeinhin bezeichnet. Da du mit unseren Wissenschaften nicht bewandert bist, soweit ich weiß, ist es ein bißchen schwierig zu erklären. Es sind winzige Überwachungsgeräte.«
»Wanzen!«
Stockrose lächelte. »Nein, keine Lebewesen. Wie gesagt, es ist schwer zu erklären …«
»Liebe Güte, ich weiß, was ein Überwachungsgerät ist.« Theo holte tief Luft – er wollte diesen Mann nicht beleidigen. »So nennen wir diese Dinger in … in meiner Welt. Wanzen.« Ein eiskaltes Gefühl überkam ihn. »Moment mal, heißt das, daß ich diese Dinger an mir gehabt habe? Daß die Leute in der Nieswurz-Residenz nicht nur genau wissen, wo ich bin, sondern mich auch die ganze Zeit belauscht haben?«
Stockrose schüttelte den Kopf wie ein geduldiger Vater – Nein, mein Sohn, du kannst nicht durch den Abfluß in der Badewanne rutschen. »Das bezweifle ich sehr. Das sind kleine Zauber, die sich unterschiedslos an jeden Außenstehenden heften, der Nieswurz-Territorium betritt. Die meisten waren gar nicht aktiv, zweifellos weil sie bei deiner Rückkehr von den Gegenzaubern der Narzissen unschädlich gemacht wurden. Die drei, die ich soeben zerstört habe, haben ein Signal gesendet, aber viel kann es nicht gewesen sein, da sie von der Narzissenabwehr stark beeinträchtigt waren. Solche Sachen sind in der Stadt gang und gäbe.« Er legte die Gabel ab. »Doch es beweist, daß dies alles nicht ernst genug genommen wird. Rainfarn, Narzisse, selbst Fürstin Ämilia, obwohl sie wachsamer ist als die meisten anderen, tun alle so, als wäre dies ein kleines Spionagespiel zwischen den Familien, bei dem es darum geht, wer bei den Spielen am Tag des Alten Hügels als Sieger hervorgeht.«
Theo hatte ohne sonderlichen Appetit an dem Obst, Brot und Käse nur geknabbert, obwohl die Melone
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