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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ersichtlich war, in welchem Krieg; Theo war die Elfengeschichte gründlich leid und fragte nicht nach. Statt dessen konzentrierte er sich darauf, die Brise und den milden frühabendlichen Sonnenschein zu genießen und seine Sinne mit Eindrücken zu sättigen, die er zu Hause in Kalifornien als typisch für einen ganz normalen Herbsttag empfunden hätte. Die Luft roch nach Äpfeln und etwas Erdigerem, nassem Lehm und Laub. Das Narzissengelände war riesig, und die Grünflächen waren mit Bedacht so angelegt, daß sie beinahe wie eine wilde Wald- und Wiesenlandschaft aussahen: Mit den vier Türmen im Rücken und von Hecken und alten Steinmauern umgeben, die das viel niedrigere Tagungszentrum noch vor seinem Blick verbargen, konnte Theo beinahe vergessen, wo er war.
    Auf den Wegen gingen aus irgendeinem Grund nicht viele Leute. Ein Trupp Arbeiter grub in einem trockengelegten Zierteich, und als die beiden vorbeikamen, richteten sich die runzligen kleinen Kerle neugierig auf, legten dann aber ehrfürchtig die Hand an die Stirn und machten sich rasch wieder an die Arbeit, als sie Fürst Stockrose erkannten. Ein Stück weiter hielten drei Feenmännlein gemeinsam einen Pinsel, mit dem sie schwirrend und schwatzend die Verzierungen oben an einem der Laternenpfähle strichen. Wie große Libellen stießen sie im Sturzflug herab und drehten ein paar flotte Runden um Theo und Stockrose. Ihr Gruß klang eher spöttisch als ehrerbietig, doch seine Durchlaucht beachtete sie so wenig wie vorher die Erdarbeiter.
    Das Tagungszentrum war niedrig im Vergleich zu den anderen Gebäuden der Narzissen-Residenz, am höchsten Punkt nur vier oder fünf Stockwerke hoch, doch deswegen war es noch lange nicht klein. Es nahm eine große Fläche ein und hatte einen eigenen gepflegten Park, der deutlich weniger wild war als das übrige Anwesen. Es schien auch architektonisch moderner zu sein, wenigstens soweit Theo das erkennen konnte: Die Außenwände waren größtenteils aus Glas oder einem elfischen Ersatzstoff, und die verschiedenen Gebäude waren durch Laufstege und Brücken verbunden, so daß es ein wenig wie das riesige Modell eines ungewöhnlich flachen Moleküls aussah.
    Obwohl er in Begleitung des Elfenfürsten war, wurde Theo von grimmig blickenden Wachogern gründlich kontrolliert, bevor er die breite Eingangstür passieren durfte. Stockrose führte ihn durch ein Foyer voll geschäftiger Subalterner in einer Vielzahl absonderlicher Gestalten zu einem Fahrstuhl für die höheren Ränge.
    »Wir hätten auch die Treppe nehmen können – es sind nur zwei Etagen –, aber es ist besser, wenn du nicht von allzu vielen neugierigen Augen gesehen wirst«, erläuterte Stockrose.
    Der Theo versprochene »Sitz« stellte sich als eine Eckbürosuite zwei Stockwerke unter dem großen Versammlungssaal heraus. Der Raum lag wahrscheinlich nur zehn oder zwölf Meter über dem Bodenniveau, doch der Blick aus dem Fenster war derart von Baumwipfeln versperrt, daß man das nur vermuten konnte. Die Suite war leer bis auf einen langen Tisch, ein paar Stühle und andere Möbelstücke sowie eine voluminöse grünliche Person, die dicht am Eingang hinter der Empfangstheke klemmte.
    »Dann lasse ich dich jetzt allein, wenn’s recht ist«, sagte Stockrose. »Ich habe vor Beginn der Sitzung noch ein paar Dinge zu regeln.«
    »Und ich bleibe einfach hier, ja?«
    »Davon gehe ich aus. Falls du irgend etwas brauchst, kann Walter dir behilflich sein.« Stockrose deutete auf das Wesen hinter der Empfangstheke, dann nickte er und ging hinaus.
    Walter war ein anderes bulliges Vorzimmerscheusal, mindestens so häßlich wie der Vertreter, den Theo bereits kennengelernt hatte. Er war wabbeliger als das muskelbepackte Warzenschwein, hatte die Haut eines Krokodils und ein rundes, schuppiges Gesicht. Er wies Theo stumm einen Tisch in der Mitte des Raumes an und schlenkerte dann mit den Fingern, als ob er Wasser abschütteln wollte, woraufhin aus einem vorher unsichtbaren Schlitz im Tisch ein großer Spiegel aufstieg. Die Oberfläche schien zu beschlagen, dann zog der Dunstschleier ab, und an seiner Stelle erschien in der Mitte des Spiegels das Familienwappen der Narzissen.
    »Das TV-Testbild im Märchenland«, murmelte Theo.
    »Wie bitte?« fragte der reptilartige Walter.
    »Nichts.«
    Das Vorzimmerscheusal nickte, dann zwängte es sich langsam hinter der Empfangstheke hervor und brachte Theo eine Karaffe mit Wasser und ein Glas.
    »Hättest du was dagegen, wenn ich mein

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