Der Blumenkrieg
war der reinste Dschungel, ein verwilderter Garten von Pflanzennamen und unverstandenen Fakten aus der Elfengeschichte.
»Die werden bestimmt alle zu spät kommen«, fuhr die schuppige Erscheinung fort. »Bei Nieswurz und einigen anderen wird es eine vorsätzliche Geste der Verachtung sein. Bei Fürst Rittersporn wird es daran liegen, daß er auf seinem Landsitz in den falschen Zug gestiegen ist. Er wird zehn Minuten lang über die Bahn schimpfen.«
Trotz seiner Nervosität war Theo amüsiert. »Du scheinst eine Menge zu wissen. Wie heißt du?«
»Tümmelding Walter.«
»Sehr erfreut, Tümmelding.«
»Nein, nein, ich heiße Walter und bin ein Tümmelding. Du hast schon meinen Cousin Tümmelding Knut kennengelernt.«
»Den Warzenschweintyp? Oh, Pardon. Ist es unhöflich, das zu sagen?«
»Jeder kann denken, was er will.« Walter zuckte die Achseln über die Wunderlichkeiten der Welt. »Manche Leute finden, ich sehe wie eine Eidechse aus.«
»Nicht zu fassen.«
Das Tümmelding nickte. »Hättest du was dagegen, wenn ich mein Mittagbrot aufesse? Ich soll dich später vielleicht noch nach oben bringen, da wäre ich lieber fertig. Ich komme hier kaum dazu, mich mal fünf Minuten hinzusetzen, und zum Essen schon gar nicht.«
»Nur zu.« Theo war wieder nervös, sehr nervös. Der Gedanke, später – oder überhaupt – nach oben gebracht zu werden, behagte ihm nicht besonders. Er bemühte sich, möglichst ruhig die Elfenfürsten bei ihren Vorbereitungen für die Konferenz zu beobachten. Ziemlich einseitige Vorbereitungen, denn die andere Seite war immer noch nicht erschienen. Tümmelding Walter hatte es als Geste der Verachtung bezeichnet. Aber vielleicht, ging es Theo durch den Kopf, ist es auch etwas viel Schlimmeres. Vielleicht wollen sie die Narzissen-Residenz angreifen und mich kidnappen. Doch er konnte das nicht recht glauben, konnte Stockroses Ausführungen zum Trotz sich selbst nicht derart wichtig nehmen und sich noch viel weniger vorstellen, daß andere Elfengeschlechter fanatisch genug waren, um die Narzissensippe hier im Zentrum ihrer Macht anzugreifen, hinter ihren gewaltigen Befestigungen. Und doch …
»He, Walter? Hat Fürst Narzisse … ich weiß nicht, wie man das hier nennt. Ein stehendes Heer? Eine persönliche Schutztruppe?«
Walter würgte ein weiteres Zappelwesen hinunter. »Allerdings«, antwortete er mit düsterem Unterton. »Über tausend Mann stark. Die Kaserne liegt an der Außenmauer. Und eine Hundertschaft ist ständig im Hauptturm stationiert. Nach dem letzten Blumenkrieg traut keiner mehr dem anderen über den Weg.«
»Danke.« Theo war ein wenig beruhigt. Und hinzu kamen bestimmt noch magische Abwehrmaßnahmen, die ganzen Zauber und dergleichen, die Stockrose erwähnt hatte. Diese rivalisierenden Geschlechter mußten wie die USA und die Sowjetunion während des Kalten Krieges sein: feindliche Lager in einem derart heiklen Kräftegleichgewicht, daß keine Seite einen Angriff wagte, weil sie dadurch selbst von Auslöschung bedroht war. Nein, was er künftig vermeiden mußte, war, diese schwerbewaffnete Festung zu verlassen. Er schämte sich jetzt, wie blauäugig er sich von Zirus Jonquille in die Höhle des Löwen hatte mitnehmen lassen. Wach auf, Theo! Du kannst es dir nicht mehr leisten, flach zu sein. Du kannst nicht einfach mit jedem mittrotten. Das wäre dein Tod!
Fürst Narzisse hatte sich inzwischen erhoben und redete auf einige andere ein, die weiter unten am Tisch auf seiner Seite saßen, doch Theo hörte keinen Ton. »Kann ich irgendwie mithören, was gesagt wird?«
»Sag einfach: ›Für meine Ohren‹«, wies Walter ihn an.
Theo tat es, und augenblicklich hörte er Narzisses Stimme, in der trotz der wohlgesetzten Worte die Verstimmung darüber durchklang, daß seine Standesgenossen aus den anderen Familien noch nicht eingetroffen waren. Der Ton kam nicht von außen, wie es selbst bei guten Kopfhörern der Fall gewesen wäre, sondern die Stimme des Elfenfürsten war direkt in seinem Kopf. Der ungewohnte und faszinierende Effekt hatte zur Folge, daß Theo sich beinahe nicht umschaute, als die Tür des Büros aufging.
Die Angehörigen der Oberschicht sahen sich in Theos Augen immer noch so ähnlich, daß er einige Sekunden brauchte, um den in der Tür stehenden Elf zu erkennen. Der elegante Brillenträger nickte Theo zu, bevor er sich mit der Frage an den Eidechsenmann wandte: »Kennst du mich?«
»Selbstverständlich, Graf Rainfarn.«
»Gut. Ich habe eine
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