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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Mittagbrot esse?« fragte Walter. »Ich muß heute arbeiten, obwohl ich eigentlich frei hätte.«
    »Nicht das geringste.«
    Der schuppige Kopf nickte. »Sehr freundlich.« Walter holte unter der Empfangstheke einen weißen Pappkarton hervor, der ein chinesisches Schnellgericht hätte enthalten können, machte ihn auf und sah hinein. Flapp! schoß eine lange graue Zunge aus seinem Mund, stieß in die Schachtel wie ein Kolben und schnellte dann fast so blitzartig wieder zurück, nachdem sie sich etwas mit winzigen zappelnden Beinchen geschnappt hatte. Theo wandte sich angewidert ab.
    Der Spiegel auf dem Tisch beschlug abermals, das Narzissenwappen verblaßte und wurde gleich darauf von einem Blick in einen Raum abgelöst, in dem Theo den Sitzungssaal des Tagungszentrums zwei Stockwerke über ihm vermutete. Er war mindestens so groß wie der riesige Kellerraum, der die Wabe beherbergte, und genau wie die viel kleinere Suite, in der Theo sich gerade aufhielt, schien eine Wand vollständig verglast zu sein. Ein langer, rechtwinklig zur Fensterwand stehender Tisch teilte den Saal in zwei Hälften, und Theos Blickpunkt befand sich genau am Ende der blitzblanken Bahn. Sitzreihen faßten den Tisch zu beiden Seiten ein – Diplomatie als Zuschauersport. Draußen stachen die Türme der mächtigsten Adelsgeschlechter in den Himmel wie die ausgeklappten Teile eines Schweizer Offiziersmessers und bildeten eine Skyline, die viel wunderlicher war als sämtliche Stadtsilhouetten der Welt, in der er geboren war.
    Fürst Narzisse und Fürstin Jonquille saßen bereits auf der Tischseite zur Linken von Theo, umgeben von diversen Untergebenen. Auch Fürst Stockrose hatte soeben seinen Platz eingenommen, begleitet allerdings von einem viel kleineren Gefolge, zu dem auch ein paar junge Elfinnen in schicken Anzügen gehörten. Daneben, näher zum Fenster hin, saß inmitten seines Familienverbands ein außerordentlich hochgewachsener und schlanker Elfenfürst mit langen silbrigen Locken und düsteren, in sich gekehrten Augen, der noch älter zu sein schien als Fürst Narzisse. Diese kummervolle Erscheinung war umringt von einer Gruppe junger Elfenmänner, die mit ihrem einheitlichen Haarschnitt und ihren schlichten, an Mönchskutten erinnernden Gewändern wie seine Jünger wirkten.
    »Wer ist das?« fragte Theo und deutete auf den silberhaarigen Elf.
    Der Vorzimmermann blickte mit prall gefüllten Backen auf. Er kaute ein paarmal, spuckte diskret eine Schale in seine Serviette, stellte die Schachtel ab und beugte sich spähend vor. »Ah, der. Seine leuchtende Eminenz Garvan Fürst Lilie«, sagte er. »Hat einen ziemlichen Sprung in der Schüssel, der Gute.«
    Theo versuchte sich auf das zu besinnen, was er über das Haus Lilie erzählt bekommen hatte. Verbündet mit den Narzissen und den Stockrosen, mehr wollte ihm nicht einfallen.
    Bis jetzt also gehören alle Anwesenden derselben Seite an, dachte er, und das war auch buchstäblich so, denn die Tischseite zur Rechten von Theo war nach wie vor gänzlich unbesetzt. Noch keine Nieswurzen und keine Stechäpfel. Das hätte ihn eigentlich erleichtern sollen, tat es aber nicht. Ungewisses Warten war schlimmer als klares Bescheidwissen. Er ließ seinen Blick über die Elfenscharen auf den Sitzen hinter Stockrose, Narzisse und den übrigen schweifen. »Wer sind die ganzen Leute da hinten?« fragte er. »Einige sehen ziemlich reich und bedeutend aus.«
    Der Eidechsenmann beugte sich abermals vor. »Die üblichen Vertreter. Da drüben sitzen die Primeln, auch eine von den Sechs Familien. Viele der anderen sind Verbündete von Fürst Narzisse. Die da sind Päonien und die da Glockenblumen und … die weiter hinten kann ich nicht richtig erkennen, aber ich habe die Gästeliste gesehen und bin daher ziemlich sicher, daß es Schneeglöckchen sind. Dahinter kommen … Levkojen, ja, keine Frage. So aus der Ferne schwer zu sagen, welche Levkojen – sie sind eine Riesenfamilie und sehen alle ziemlich gleich aus –, aber man kann sie nicht verwechseln, weil sie alle dasselbe fliehende Kinn haben.«
    »Und die leeren Stühle auf der andern Seite, die sind für die Nieswurzen und Stechäpfel reserviert?«
    Der Mann am Empfang konsultierte kurz eine Liste an seinem Klemmbrett. »Ja, und einige andere, die zu ihnen gesetzt werden wollten. Die Fingerhüte, die Rittersporne, die … laß mich nachschauen … die Eisenhüte, die Butterblumen …«
    Fingerhüte. Der Name stieß eine Erinnerung an, doch Theos Kopf

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