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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Botschaft an dich von Fürst Narzisse.« Er reichte dem Tümmelding einen Zettel. Walter las ihn, und in sein schuppiges Gesicht trat ein leises Befremden.
    »Das müßte eigentlich über den Heinzel kommen.«
    »Es wurde aber nicht dem Heinzel gegeben, sondern mir. Ich war soeben noch mit deinem Herrn zusammen.«
    »Dann muß ich sofort gehen«, erklärte Walter und erhob sich. »An der hinteren Wand ist ein Getränkeschrank, Graf Rainfarn. Verzeih bitte, wenn du dich selbst bedienen mußt. Die Sache scheint dringend zu sein.«
    Theo hatte bis jetzt nur verwundert geschaut. »Rainfarn. Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu sehen.«
    Der andere lächelte ein wenig. »Das kann ich umgekehrt nicht behaupten – ich habe in letzter Zeit viel von dir gehört. Es klang so, als wärst du etliche Male nur knapp davongekommen, aber anscheinend hast du das Glück auf deiner Seite gehabt. Trotzdem mißfällt es mir sehr, daß Apfelgriebs dich gegen meine Anweisung hierher gebracht hat.«
    »Ja, genau, du wolltest, daß ich zu … zu …« Er kam nicht darauf, zu wem er ursprünglich hatte gehen sollen, doch dafür fiel ihm etwas anderes ein. Die lauten Stimmen aus dem Konferenzsaal waren leiser geworden, als er seine Aufmerksamkeit auf Graf Rainfarn gerichtet hatte, aber sie waren nicht ganz verstummt und trugen noch zu dem Wirrwarr in Theos Kopf bei. »Genau, du mußt das gewesen sein!«
    Rainfarn, der sich dem Tisch genähert hatte, blieb abrupt stehen. »Wer oder was muß ich gewesen sein?«
    »Apfelgriebs hat mir ausrichten lassen, sie hätte draußen auf dem Gelände jemand gesehen, den ich kenne. So wie der Mann am Empfang es sagte, dachte ich, sie hätte Rufinus gemeint – aber der ist ja tot.«
    »Ja, das ist er mit Sicherheit, der arme Tölpel.« Rainfarn glitt auf den Sitz neben Theo.
    »Du bist mir ein feiner Verwandter«, sagte Theo. »Aber sie muß dich gemeint haben. Ich habe sie nicht ausfindig machen können. Hast du sie gesehen?«
    Rainfarn schüttelte den Kopf. »Nein, habe ich nicht, und ich bezweifele sehr, daß sie mich gemeint hat, denn ich bin nicht in meiner normalen Kutsche gekommen, sondern in einem Zubringerbus vom Bahnhof. Meine Anwesenheit hier ist nicht allgemein bekannt, mußt du wissen.« Er betrachtete das Bild des großen Versammlungssaals. »Wie ich sehe, sind Nieswurz und die anderen noch nicht da.«
    »Ja, Walter, das Tümmelding, meinte, daß sie sich allesamt verspäten werden, die Stechäpfel und die Rittersporne und die … Fingerhüte auch …« Plötzlich wurde ihm kalt, als hätte er Schüttelfrost. »O Gott! Fingerhut! Das ist der, zu dem du mich schicken wolltest, stimmt’s?«
    »Fingerhut? Kann schon sein.« Rainfarn klang abgelenkt. Er hielt den Blick starr auf den Spiegel gerichtet. »Und wenn schon? Es wurde erst in den letzten Tagen gemeldet, daß er sich auf Nieswurz’ Seite geschlagen hat.«
    Theos Herz hämmerte. »Stockrose war es unbegreiflich, warum du mich derart ungeschützt in die Stadt fahren lassen hast. Aber das war gar kein Fehler, nicht wahr? Du … du hast mich verraten.«
    »Dich verraten? Was soll der Quatsch? Ich habe mich nach Kräften bemüht, dir zu helfen, du grober, undankbarer Kerl …« Rainfarn hielt inne. »Schau an, Nieswurz ist gekommen.«
    Theo drehte den Kopf zum Spiegel, doch alles war mehr oder weniger wie vorher: die eine Seite des langen Konferenztisches voll besetzt, die andere Seite leer. Fürstin Ämilia äußerte gerade die Ansicht, es gebe viel zu besprechen, auch wenn nicht alle sechs führenden Familien anwesend seien, und ihre Worte lenkten Theo eine Sekunde lang ab, die ihm beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Er sah die Bewegung aus dem Augenwinkel und drehte sich gerade in dem Moment um, als Rainfarn versuchte, ihm ein Stück Tuch auf den Mund zu pressen. Der beißende, moderige Geruch wie von etwas, das lange im dunklen, feuchten Boden gewachsen war, veranlaßte ihn, sich augenblicklich zurückzuwerfen, bevor Rainfarn ihm den anderen Arm um den Hals legen konnte. Theo schaffte es, sich loszureißen und sich vom Stuhl auf den Boden zu stürzen, aber ihm war, als wären die Dämpfe schon in seinen Körper eingedrungen und verwandelten seine Muskeln in Gummi.
    Idiot! Er robbte vom Tisch weg und wollte aufstehen, doch seine Glieder gehorchten ihm nicht mehr. Ich bin ein Idiot, daß ich das nicht vorausgesehen habe! Er hat Walter weggeschickt! Er hat mich verraten, und jetzt ist er hier, um die Sache zu Ende zu

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