Der Blumenkrieg
aussah, ein eingefleischter Junggeselle und hatte schon seit Monaten keine Frau mehr gehabt, so daß er sich über solche Sachen nicht groß den Kopf zerbrach.
Im Gegensatz zu Theo. Er dachte ernsthaft darüber nach, ob es an der Zeit war, sich die gemäßigt langen braunen Haare schneiden zu lassen. Schlimm genug, daß er dreißig war und immer noch in einer Garagenband sang, da mußte er nicht auch noch wie ein alternder Kiffer aussehen.
Z u guter Letzt hörte Theo sich doch noch eine gute halbe Stunde lang die Demoaufnahmen für »Feast of Fools« an, eine Art Gothic-Prozessionshymne, die Kris geschrieben hatte und mit der sich der Gitarrist anstellte wie ein neurotischer Chefkoch bei den Vorbereitungen für eine wichtige Tischgesellschaft. Er hatte etliche ätzende Bemerkungen über Theos Gesang zu machen, wollte ihn rauher haben, ein stärkeres Drohen in der Stimme, die Art von Melodramatik, von der Theo nicht viel hielt.
Als Kris beim letzten Durchlauf seinen kurzgeschorenen Schädel im Takt seiner eigenen Musik wiegte, eine seltsame Mischung aus Lust und Schmerz im Gesicht, kam Theo plötzlich die Erkenntnis: Er wird das selber singen wollen, darauf läuft das hier hinaus. Und obwohl ich hundertmal besser bin, wird er irgendwann so von sich überzeugt sein, daß er überhaupt der Leadsänger werden will. Und dann hab ich in dieser Band ausgedient.
Er war sich nicht sicher, wie er das fand. Auch wenn er das Spiel der Jüngeren und Kris Rolles musikalische Ideen bewunderte, war es alles andere als seine ideale Band. Zunächst einmal konnte er den Namen nicht ausstehen: The Mighty Clouds of Angst. Zu ausgedacht. Schlimmer noch, es war ein Scherzname, der eine berühmte Gospelgruppe veralbern sollte, die Mighty Clouds of Joy. Theo war der festen Überzeugung, daß bei Scherznamen auch bloß Scherzbands herauskamen, die Beatles einmal ausgenommen. Außerdem fand er ihn einfach dämlich. Kris, Morgan und Dano waren nicht einmal alt genug, um sich an die Mighty Clouds of Joy zu erinnern, warum also wollten sie ausgerechnet diesen Namen parodieren? Es roch ein wenig nach einer Verhöhnung ernster, religiöser Schwarzer durch weiße Bürgersöhnchen, und bei dem Gedanken war Theo nicht wohl. Doch er wußte, falls er das Thema jemals ansprach, würden sie nur mit dem starren Fischblick reagieren, den sie perfektioniert hatten und bei jeder Gelegenheit benutzten, um hoffnungslos uncoole Eltern und Lehrer abblitzen zu lassen, und er würde sich nur noch älter fühlen als ohnehin schon.
He, seit wann stehe ich eigentlich in diesem Konflikt auf der andern Seite?
Er schlüpfte in seine uralte Lederjacke und schnorrte noch eine Zigarette von John für unterwegs beziehungsweise für zu Hause, denn es war ziemlich schwierig, mit einem Motorradhelm auf dem Kopf zu rauchen. Er blickte sich um, weil ihm war, als hätte er etwas vergessen. Leadsänger trugen nicht viel mit sich herum. Die Mikros und die Anlage gehörten Morgan und Kris. Theo konnte die »Wolken« genauso mir nichts, dir nichts verlassen, wie er heute abend zur Tür hinausging. Das fiel ihm leicht: Wenn es ihm zuviel wurde, setzte er sich ab.
Ob Johnny mitgehen würde, wenn sie ihn tatsächlich hinausekelten? Theo wußte nicht so recht, was er davon halten sollte. Dies war jetzt die dritte Band, in der er gemeinsam mit Johnny Battistini spielte – nach der obligatorischen Anfangskatastrophe, als sie noch ganz groß rauskommen wollten, und der grauenhaften Coverband, in der sie vor sich hingedümpelt hatten, bis sie sich mit Kris und Co. zusammentaten. Die schöpferische Pause, die er einlegen mußte, wenn er sich nach einer anderen Truppe umguckte, würde ihm bestimmt nicht schaden, und Catherine würde sich mehr als freuen, wenn er abends manchmal zu Hause war, zumal jetzt, wo sie das Kind erwartete, aber sein alter Kumpel Johnny B. hatte sonst im Leben nicht allzuviel laufen. Abgesehen von seinem Job im Plattenladen und den »Wolken« war Johnny ziemlich genau der Typ, über den sich die Werbefuzzis immer lustig machten, aber an dem ihre Kunden sich gesundstießen: ein gutmütiger Schlappsack, der sich von Fast food ernährte, sich Pornofilme im Dutzend auslieh und allein vor der Glotze hing und sich Wrestling anschaute.
Während »Feast of Fools« ein weiteres Mal durchnudelte, blickte Kris auf und sah, daß Theo an der Tür stand. »Gehst du?« Er klang verstimmt. Kris hatte Augen, die grau waren wie der Himmel vor einem Gewitter, Augen, in denen
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