Der Blutfluch: Roman (German Edition)
unbekleidet vor aller Augen ins Ehebett begeben zu müssen. Es ist gegen jede Sitte, aber in diesem Falle verständlich. Ich bin sicher, Eure Verbindung wird auch ohne dieses Spektakel gesegnet sein. Ich wünsche dir Glück für dein neues Leben.«
Anteilnehmend umarmte sie Aliza heftig und verließ mit der Kammermagd das Gemach. Ihr Gefolge, das vor der Tür auf sie gewartet hatte, tuschelte leise. Ein Blick brachte die Damen zum Schweigen.
Gerüchte über die hastige Hochzeit machten die Runde. Es war unerlässlich, dass Adeliza und Rupert Villa Lutra so schnell wie möglich verließen.
Friedrich empfing sie herzlich, als sie endlich unter vier Augen waren. Er hatte ein feines Gespür für ihre Stimmungen entwickelt.
»Ich weiß, was dich mit diesem Mädchen verbunden hat, Beatrix. Du hast mein Wort darauf, dass du dein Burgund in diesem Jahr wiedersehen wirst. Dann kannst du dich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass wir das Richtige getan haben.«
»Sieht man mir meine Gefühle so sehr an? Eben dachte ich noch, ich wüsste mich zu beherrschen.«
»Ich weiß nicht, ob man es sieht. Ich sehe es, weil ich mich bemühe, mit dir zu empfinden. Es bedrückt mich zum Beispiel, dass mein Wanderleben Entsagungen von dir fordert.«
»Nein, Friedrich, das ist es nicht. Ich muss einfach lernen, überall glücklich zu sein, wo ich mit dir zusammen sein kann. Es wird mir gelingen, ich weiß es.«
»Du verlangst viel von dir, Beatrix, und ich danke dir sehr dafür. Ich wusste nicht, dass zwischen Mann und Frau so viel Einverständnis möglich ist.«
Beatrix begab sich bewegt in seine Umarmung.
Vielleicht war die Konsultation der Äbtissin vom Rupertsberg nach dieser Nacht gar nicht mehr nötig.
Aliza
Villa Lutra, 14. Januar 1157
E ndlich allein! Voller Erleichterung lehnte Aliza sich gegen die Tür, die sie hinter sich geschlossen hatte.
Zum ersten Mal, seit sie Rupert gesagt hatte, dass sie mit ihm nach Burgund gehen wolle, hatte sie die Muße zur Besinnung.
Was ist nur alles geschehen?
Sie hob die Hand mit dem Ring und betrachtete ihn nachdenklich.
Ich bin verheiratet. Ich bin Adeliza von Urach, Frau des Rupert von Urach.
Noch konnte sie Namen und Person nicht in einen Zusammenhang bringen.
Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, ein Neubeginn für jeden von uns. Was wird daraus werden?
Ehe sie sich Antworten geben konnte auf die Fragen, die sie bestürmten, wurde geklopft. Sie musste sich nicht fragen, wer um Eintritt bat. Sie spürte es förmlich durch die geschlossene Tür.
»Willkommen«, begrüßte sie Rupert, nachdem sie geöffnet hatte, und trat zur Seite, damit er das Gemach mustern konnte, das auf Befehl der Königin für sie so festlich geschmückt worden war.
»Ich danke dir«, antwortete er und wandte sich direkt an sie, ohne das Brautlager besonders zu beachten. »Ist es nicht unglaublich, dass wir unbehelligt und frei voreinander stehen können?«
»Es sei denn, die Geister der Vergangenheit behelligen uns. Werden wir sie zum Schweigen bringen können?«
»Dessen bin ich sicher«, antwortete Rupert, alle Bedenken unausgesprochen lassend, gewollt frohgemut.
Aliza widersetzte sich solcher Oberflächlichkeit.
»Du magst dir sicher sein, ich möchte aber dennoch etwas sagen«, bat sie. »Der Gedanke, ich müsste dir zürnen, wird dich immer wieder einmal einholen. Und da ist es wichtig, dass du weißt, dass in mir kein Zorn mehr ist. Keiner gegen dich und keiner gegen irgendjemand anderen. Wenn ich etwas empfinde, sollst du wissen, dann ist es Bedauern und Trauer um die Toten. Sie verdienen, dass wir uns in ihrem Namen um einen neuen Anfang bemühen. Sie dürfen nicht umsonst gestorben sein.«
Ob Rupert ahnte, wie viel ihre Worte sie kosteten?
»Darüber hinaus weiß ich, dass ich nicht die Frau bin, die dir vorbestimmt gewesen wäre, wäre ich nicht unfreiwillig in dein Leben getreten. Ich will dennoch mein Bestes tun, deine Sache zu vertreten und dir in allem zur Seite stehen, wie ich es vor dem Altar geschworen habe.«
»Und warum löschst du dafür die Lichter?«
Sie war bei der Kerze am Alkoven angelangt, und Rupert hielt sie davon ab, sie wie alle anderen zuvor zu löschen.
»Wir wollen die Brautnacht hinter uns bringen, wie es sich gehört«, sagte Aliza leise. »Wenn du erlaubst, lege ich meine Kleider und die Haube im Dunkeln ab. Ich will nicht, dass du mich ohne Haar siehst. Ohne Haar bin ich abstoßend. Ich hoffe, es wächst schnell nach.«
»Du misst einem
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