Der blutige Baron - Lorenz - Der Buhmann
passiert.
Offenbar doch. Denn sie hatte sich benommen wie ein einfaches Mädchen.
„Kehren wir doch zu den Hunden zurück“, bat Eugen. „Vielleicht können Sie mir helfen. Ich kann Tiere ganz ordentlich malen, aber damit erschöpft sich mein Wissen über sie.“
„Und ich könnte sie nicht einmal malen“, erwiderte Katharina lächelnd. Sie ließ das Schloss hinter sich und ging wieder langsam zu den Ställen hinüber. Eugen begleitete sie. „Ich soll mir nämlich auch ein Junges aussuchen, wissen Sie?“
„Oh. Dann müssen Sie unbedingt zuerst wählen!“
Sie wartete vor dem Stall, während er vorauseilte und ihr die Tür aufhielt. „Danke, aber es käme mir nicht ungelegen, wenn ich Ihnen den Vortritt mit dem Aussuchen lassen könnte“, meinte sie. „Ich hätte dann nur noch unter fünf dieser niedlichen Biester zu wählen.“
„Verflixt“, brummte er mit einem Zwinkern. „Heute scheine ich weder mit Frechheit noch mit Anstand viel Glück zu haben.“
Lachend traten sie ein. Katharina stellte fest, dass die Hunde sich von ihnen nun kaum mehr beunruhigen ließen. Sogar die Mutter der Welpen kam herangetrottet und beschnüffelte sie beide. Sie begannen sich die kleinen Rangen zu betrachten und über sie zu fachsimpeln, als hätten sie eine Ahnung.
4
„Mutter! Mutter! Schnell!“
Es dauerte einen Moment, bis Katharina begriff, dass sie gemeint war. Gewöhnlich nannten Wolfgang und Roland sie bei ihrem Vornamen oder riefen sie bestenfalls „Tante“. Die beiden Söhne aus Lorenz’ erster Ehe mit Sophia weigerten sich, sie als ihre Mutter anzuerkennen. Es mochte auch daran liegen, dass Katharina altersmäßig zwischen ihnen lag. Mit ihren 19 Lenzen war sie zwei Jahre älter als Roland, aber vier Jahre jünger als der ältere Sohn Wolfgang.
Nachdem sich Eugen von Degenhard und sie für zwei Welpen entschieden und ihnen zur Markierung zwei kleine Halsbänder angelegt hatten, war sie ins Haus zurückgekehrt. Es war Zeit, sich fürs Bankett umzuziehen, das in einer Stunde beginnen würde. Eigentlich hätte auch sie ein Bad vertragen können, denn der Geruch der Stallungen war auf ihrer Haut, hing in ihren Haaren. Doch dafür reichte die Zeit nicht. Wie so oft hatte ihr Gatte den Vorrang gehabt.
Sie hatte sich eben entkleidet, um sich vor einer Schüssel mit lauwarmem Wasser notdürftig abzuwaschen, als Wolfgangs Stimme an ihr Ohr drang. Er wirkte aufgeregt. Seine lauten, etwas plumpen Schritte näherten sich rasch durch den Korridor. Hastig warf sie sich das Kleid über den noch nassen Körper und öffnete die Tür, die bereits vom ungeduldigen Pochen erschüttert wurde.
Wolfgang füllte den Türrahmen aus. Er war ganz nach seinem Vater geraten, groß und dunkel, hatte allerdings ein wenig mehr Speck angesetzt. Seinem rasselnden Atem hörte man an, dass er durchs ganze Haus gerannt sein musste.
„Katharina“, keuchte er. „Mutter …“
„Was ist passiert?“ Ihre Knie wurden weich. Jemand schien dem Boden unter ihren Füßen von der Seite her einen kleinen Tritt zu verpassen. Sie hielt sich an der Tür fest. Das Gefühl ging vorüber.
„Es ist … unten vor dem Haus … da …“ Wolfgang schlug die schwarzen Haare zurück, die er noch länger trug als sein Vater. „Du musst unbedingt kommen …“
„Was ist vor dem Haus?“
„Ich kann es nicht aussprechen“, schnaufte er, stieß sich ab und lief bereits wieder los, den Flur hinunter. Was hätte Katharina tun können, außer ihm zu folgen? Ihr Haar war in Unordnung, sie war ungeschminkt, das Kleid klebte an ihrem Körper. Trotzdem war es ihr einerlei, ob sie jemand so sah. Etwas Schreckliches musste vorgefallen sein, und sie betete als allererstes, dass Lorenz nichts geschehen war. Dann dachte sie an das Dienstpersonal, an die Tiere … und irgendwann an die Gäste und an Eugen. Ein Unfall – diese vielen Waffen – das Durcheinander – so viele Leute, die sich einbildeten zu wissen, was sie taten …
„Warum sagst du mir nicht endlich, was geschehen ist?“, flehte sie, als sie die vielen Stufen der Treppe hinabtrippelte. Wolfgang machte eine unwillige Bewegung mit dem Kopf und rannte ihr voraus, immer mehrere Stufen überspringend.
Ihr Stiefsohn eilte durch die Tür ins Freie, bog nach rechts ab, lief ein Stück und blieb dann abrupt stehen. Hatte den Blick auf eine Stelle im Gras gesenkt. Katharina schien es wie eine Ewigkeit, bis sie ihn erreichte. Die Sonne war untergegangen, das Zwielicht wurde jetzt mit jeder Sekunde
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