Der Blutkönig: Roman (German Edition)
sichtbar war, leugnete.
Carina wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Es ist schon in Ordnung. Wir haben eine Aufgabe, die wir erledigen müssen«, sagte sie und schluckte hart. »Und du bist derjenige, der sich in wirklicher Gefahr befindet.«
Sie griff wieder in ihre Tasche und zog einen kleinen samtenen Beutel heraus. »Das hätte ich fast vergessen.« Sie reichte Tris den Beutel und brachte ein Lächeln zustande. »Carroway erwähnte Kiara gegenüber, dass am ersten Tag des Altweibermonds dein Geburtstag ist. Kiara wollte, dass ich dir das hier gebe.«
Tris schüttelte den Beutel über seiner Handfläche aus. Ein silberner Anhänger an einer Kette floss wie schimmerndes Mondlicht in seine Hand. Zwei Steine, ein feurig roter und der andere glänzend schwarz, bildeten zusammen das Zeichen der Lady.
»Berry hat es gestern per Boten geschickt«, sagte Carina, als Tris das Schmuckstück ins Licht hielt.
»Eine Notiz sagte, es handele sich um Silber aus Isencroft. Die Steine sind Onyx, um Heilungen zu beschleunigen und die Wirkung von Giften abzuwehren, und der Granat verhilft zu sicheren Reisen und – zur Liebe.« Sie zog einen versiegelten Umschlag aus der Tasche und reichte ihn Tris. »Das ist auch von Kiara«, meinte sie grinsend. »Ich werde dich allein lassen, damit du ihn lesen kannst.«
Tris schloss seine Hand um den Talisman. »Ich hätte nie gedacht, dass ich meinen zwanzigsten Geburtstag im Exil verbringen würde«, meinte er leise. »Mutter wollte immer, dass ich dieses Jahr bei den Turnieren antrete, die zur Wintersonnenwende abgehalten werden. Kait wollte ihre Falken fliegen lassen. Jetzt hat sich alles verändert. Und wenn ich es nicht schaffe, die Prüfungen der Schwesternschaft zu bestehen, dann werde ich die Wintersonnenwende nicht mehr erleben.«
»Sag das nicht. Du kannst dich jetzt drei Tage lang erholen. Keine Übungen mehr bis dahin – und kein Wurmwurz. Du wirst dich vollständig erholen, so, wie in Ruune Videya, nur stärker.«
»Ich weiß nicht, ob das reichen wird.«
Carina legte eine Hand auf seinen Unterarm. »Du kannst das schaffen, Tris.«
Er öffnete die Hand, um noch einmal den Anhänger anzusehen. »Jetzt habe ich einen Grund mehr, wieder zurückzukehren, nicht wahr?«
»Kiara zählt auf dich«, antwortete Carina. »Das tun wir alle.«
D OCH DIE GANZE Vorbereitung hatte Tris nicht von seiner Nervosität befreien können, als er drei Tage später zusammen mit Theron hinunter in die Verliese unterhalb der Zitadelle ging. Die letzten Spuren des Wurmwurz waren verschwunden und ein paar Tage Ruhe hatten viel dazu beigetragen, seine Kräfte wieder erstarken zu lassen. Seine Hand fiel auf seinen Schwertknauf. Magierschlächter berührte die Ränder seiner magischen Sinne, nicht sehr deutlich, aber auch mehr als einfacher Stahl, mit einer ihm eigenen Macht. Weder er noch Theron sprachen, als sie die Treppen zu dem Labyrinth von Gewölben herunterkamen, in denen der Prüfungskampf stattfinden würde.
Wenn er diese Begegnung überlebte, würde Tris nur noch allein gegen Avatare kämpfen. Diesmal kam Theron noch mit und er war dankbar für ihre Unterstützung. Sie würden einem oder mehreren Avataren begegnen, deren Bewegungen – und Magie – von den Schwestern außerhalb des Raumes kontrolliert werden würden. Taru hatte Tris versprochen, dass diese Schlacht nicht wie die zukünftigen bis zum Tode ausgeführt werden musste. Die kommenden Kämpfe würden nach der Wintersonnenwende beginnen – wenn er das hier überlebte.
Sie betraten die Halle und Tris unterdrückte ein Keuchen. Das Innere des Saals war magisch verändert worden und glich nun der großen Halle zu Hause im Palast von Shekerishet. Jedes Detail war nachempfunden worden: Die Tapisserien an den Wänden, die Reliefs an den Ummantelungen des großen steinernen Kamins und die Einlegearbeiten in den Möbeln in den Zimmerecken waren perfekt getroffen. Tris fragte sich, wer von den Schwestern Shekerishet so gut kannte und er kämpfte seine Emotionen darüber nieder, wieder zu Hause in seiner vertrauten Umgebung zu sein.
Die Türen schlossen sich hinter ihm und Tris und Theron gingen langsam vorwärts.
»Wachen!«, rief Theron. Tris drehte sich um und sah, wie Soldaten aus zwei seitlichen Türen strömten. Sechs, und sie kamen in tödlicher Geschwindigkeit heran. Tris zog sein Schwert, sich der Tatsache bewusst, dass er Theron im Rücken hatte. Tris parierte einen Schlag des ersten Soldaten,
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