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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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ließ Ausdauer und Kraft erahnen, und die geschmeidigen Bewegungen verrieten ihr die Abstammung des Fremden mehr als alles andere. Schade, nichts für mich , dachte sie und riss sich von dem appetitlichen Anblick los. Trotzdem konnte sie nicht widerstehen: «Wer ist das?» Ihre Stimme klang belegt.
    Cyron sah auf. Seine Nasenflügel blähten sich leicht. «Von dem lass die Finger. Er ist nichts für anständige Mädchen. Du weißt schon, zu viel ...», er deutete mit dem Zeigefinger Kreise an seiner Schläfe an. Leicht nachzuvollziehen, denn der Fremde trug keine Schuhe. Oder meinte Cyron etwa Drogen? Für ihresgleichen konnte die Jagd nach Nahrung zum tödlichen Rausch werden – und nicht nur für die Opfer.
    Ehe sie nachfragen konnte, schob sich Hortense auf einen Barhocker. Sie tat so, als habe sie Cyron noch nie zuvor gesehen und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Vivianne fand dieses Verhalten reichlich unhöflich, denn ihre Freundin – ehemalige Freundin , ergänzte sie in Gedanken – kannte ihn ebenso lange wie sie selbst. Man konnte es auch übertreiben mit dem Ignorieren von Dienstboten. Hortense gab einen leisen Rülpser von sich, als wären ihr Viviannes Überlegungen gleichgültig, und schnippte mit den Fingern. «Gib mir einen doppelten Scotch. Kein Eis, kein Wasser!» Cyron deutete eine Verbeugung an. Nichts wies darauf hin, dass er von ihrem Verhalten verletzt sein könnte. Vivianne zwinkerte ihm trotzdem aufmunternd zu und betrachtete anschließend verstohlen das Profil der Frau neben sich, die angestrengt versuchte, das Zittern ihrer Hände zu verbergen. Diese Sterbliche konnte sich die besten Ärzte leisten, beschäftigte zwei persönliche Fitnesstrainer und lebte eine strenge Diät. Das Ergebnis war bewundernswert, denn sie sah für ihr Alter fantastisch aus. Dennoch war sie niemals zufrieden mit ihrem Äußeren und hatte gewiss schon den nächsten Termin mit ihrem plastischen Chirurgen vereinbart. All ihre Bemühungen um ewige Jugend entfernten sie zusehends schneller von diesem Ziel. Bald würde sie so grotesk daherkommen wie viele ihrer Altersgenossinnen, die es sich ebenfalls leisten konnten, sich von skrupellosen Chirurgen entstellen zu lassen.
    Vivianne galt als eine wohlhabende Erbin. Trotz ihrer geheimnisvollen Herkunft öffneten sich ihr mehr Türen in der Pariser Gesellschaft als Hortense de Plessis-Bellière, geborene Marie Marchand. Die beiden ungleichen Frauen waren dennoch Freundinnen geworden. Und es hatte Zeiten gegeben, da war Marie – Pardon, Hortense! – Vivianne sehr dankbar gewesen, denn ihr hatte sie es zu verdanken, dass der französische Hochadel die eingeheiratete Kaufmannstochter mit den bäuerlichen Manieren nicht offen schnitt. In letzter Zeit jedoch hatte sich ihr Verhältnis deutlich abgekühlt.
    Hortense stürzte ihren Drink hinunter und wedelte mit ihrer Hand, an der kostbare Ringe glitzerten. «Nochmal!» Während Cyron ihrem Wunsch mit einem feinen Lächeln nachkam und das Glas großzügig auffüllte, sah sie Vivianne aus glasigen Augen an: «Du bist jung!»
    «Was redest du da? Wie wir wissen, feierst du genau drei Tage nach mir Geburtstag.»
    «Kein Schönheitschirurg ...», sie hielt kurz inne, das Wort schien ihr Schwierigkeiten zu machen, es klang mehr wie «Schöner Trug», «... keiner kriegt das so hin!»
    Vivianne seufzte, diese Diskussion hatte sie in letzter Zeit nicht nur mit Hortense geführt. «Ich lebe halt gesund.» Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung der Whiskyflasche, die ihre ehemalige Freundin dem Barkeeper jetzt sogar aus der Hand nahm.
    «Gib schon her! Schließlich bezahle ich das Zeug sowieso.» Als Cyron wortlos gehorchte, sah sie wieder zu Vivianne. «Ach, ja? Dein Lebensstil lässt dich so strahlen?»
    «Genau.» Das war nicht einmal gelogen. Ihre einseitige Diät hielt die Vampirin nicht nur am Leben, sondern bewahrte sie auch vor dem langsamen Dahinschwinden ihrer Reize.
    Hortense hielt sich die Flasche an den Mund, nahm einen großen Schluck, hustete und sagte laut: «Es geht nicht mit rechten Dingen zu bei dieser Mademoiselle Cirta.»
    Cirta war nicht Viviannes richtiger Nachname. Sie hieß Vivianne Causantín und war sehr stolz auf diesen alten Familiennamen, der in der Welt der Vampire einen guten Klang hatte. Doch das wusste natürlich niemand, nicht einmal Cyron, der ihr einen Blick zuwarf, in dem sie deutlich etwas wie – Siehst du, habe ich es dir nicht gesagt? – las. Die ersten Gäste wurden trotz der

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