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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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durchleuchten. Falls er dann im
Krankenhaus bleibt, muß für Anna gesorgt werden.“
    „Sehr krank sieht er nicht
aus“, meinte Klößchen. „Aber es gibt ja diese Spätschäden. Da muß man höllisch
aufpassen. Ein Cousin meiner Mutter ist als Kind mal auf den Kopf gefallen. Das
merkt man ihm heute noch an.“
    „In welcher Weise?“
    „Er stottert seitdem. Das hat
ihm das ganze Leben versaut. Ursprünglich wollte er nämlich Schauspieler
werden. Geworden ist er dann Flötist in einem Philharmonie-Orchester. Da
kommt’s mehr auf die Töne an als auf Worte.“

8. Wolperts durchtriebener Plan
     
    Wolpert, der Teppichhändler,
fuhr nicht in sein Geschäft zurück, wo eine Hilfskraft — ein indischer Student,
der einigermaßen deutsch sprach — die Kunden bediente. Wolpert war zu
aufgeregt. Er lenkte seinen schwarzen Audi in die Tenghof-Straße, also nach
Hause.
    Schweiß stand dem
Teppichhändler auf der Stirn. Sein schwarzer Bart glänzte feucht. Hinter der
Brille glitzerten die Augen. Er stürmte ins Haus.
    Edith war in der Küche und
schnitt Zwiebeln, die sie heute abend zusammen mit Kalbsleber braten wollte:
Wolperts Lieblingsgericht.
    Leider tränten ihr die Augen.
    Wolpert mißverstand das.
    „Hast du schon wieder geweint?“
fragte er etwas ungnädig.
    „Die Zwiebeln beißen so. Du
magst doch nur die scharfen.“
    „Komm rüber!“
    Er lief in den Wohnraum, wo der
Boden federte, was freilich nicht an einer neuartigen Bauweise lag, sondern an
der Vielzahl von Teppichen, die — übereinandergeschichtet — moosweiches Gehen
ermöglichten.
    „Edith! Jetzt haben wir ihn.“
    Sie wußte sofort, wen er
meinte, schwieg aber erwartungsvoll und auch etwas angstvoll.
    „Ich mußte nach Pürkheim. Du
weißt. Schengmann sagte ja gestern schon, daß er ebenfalls hinfahre — beruflich
mit einem Geldtransport. Hat mir ja wichtigtuerisch unter die Nase gerieben,
wie ausgetüftelt und präzise geplant das alles sei. Mag ja sein. Aber es
schützt nicht vor Unglück.“
    „Unglück?“
    „Dein Verflossener hat einen
Unfall gebaut.“
    Edith preßte erschrocken die
Hand auf den Mund.
    „Unfall? Aber Anna war ja nicht
im Wagen. Nein, sie ist im Kindergarten. Was ist Norbert passiert?“
    „Nicht viel. Jedenfalls hat er
recht munter reagiert. Es war so: Ich komme aus Pürkheim, will Richtung
Hünengrab-Kreuzung. Nebel. Kaum Sicht. Natürlich fahre ich langsam. Dann sehe
ich den Geldwagen. Er liegt unten am Hang, demoliert, Räder nach oben. Sie
drehen sich noch. Also ist die Sache gerade erst passiert. Vor einer Kurve.
Sicherlich war der Wagen zu schnell.“
    „Der... Wagen... hat sich
überschlagen?“
    Edith war blaß geworden, die
Augen in ihrem hübschen Gesicht hatten Schreckensweite.
    „Dreimal, schätze ich. Ich war
so verblüfft, daß ich nicht gleich gehalten habe. Dachte an Raubüberfall,
Bomben, Gangster mit Maschinenpistolen. Dann, außer Sichtweite, habe ich
gestoppt, bin ausgestiegen und zurückgelaufen. Vielleicht war’s ja doch nur ein
Unfall. Und ich wollte deinem Mann — so mies er auch ist — meine Hilfe nicht
versagen.“
    „Edel von dir.“
    Wolpert nickte. „Man ist ja
schließlich ein Mensch. Außerdem sitzen immer zwei in einem Geldtransporter.“
    „Meistens fährt er mit Claus
Mengl.“
    „Jedenfalls war von einem
Überfall nichts zu bemerken. Ich wollte gerade den Hang runtersteigen, an einer
flachen Stelle, also ein Stück vor der Kurve — wollte ich, da sehe ich einen
uniformierten Typ. Er sah genau aus wie auf dem Foto, das du zerrissen hast. Zweifellos
dein Mann. Er hielt sich den Kopf, hatte etwas Blut im Gesicht und benahm sich
irgendwie seltsam. Heimlichtuerisch. Argwöhnisch. Also habe ich mich hinter
einen Busch geduckt.“
    „Ich denke, er brauchte Hilfe.“
    „Nein, brauchte er nicht. Er
kam bestens allein zurecht. Er hat nämlich die Chance, die sich ihm bot, beim
Schopf gepackt. Damit meine ich: Am Wagen waren die Türen aufgesprungen — auch
die zum Laderaum. Und was tut Norbert Schengmann? Er schnappt sich zwei schwere
Säcke, die natürlich prallgefüllt sind mit Geld, schleppt sie ins Gebüsch und
sucht ein geeignetes Versteck. Erst danach hat er sich um seinen Kollegen
gekümmert, der immer noch bewußtlos war, und über Sprechfunk Hilfe
angefordert.“
    „Aber...“, stammelte Edith,
„das... das fällt doch auf. Es... es sind immer Millionenbeträge. Damit kommt
er nicht durch. Die können sich nicht einfach in Luft auflösen.“
    Wolpert lächelte.

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